Erinnerungen an eine Segelfahrt in der Ägäis
14. bis 30. September 2007 auf der SY „Eros“, einer Bavaria 39

 

Empfundenes
Daten zum Anfassen
Informationen aus dem Logbuch und einigen G’schichtln dazu

 

Empfundenes

Drei Tage hat es noch geschwankt an Land. Dann schien der 17-Tage-Ägäis-Törn endgültig Vergangenheit zu sein.

Er ist es noch nicht, wie ich heute früh bemerke:

Ich stehe vor meinem E-Herd, will ihn in Betrieb nehmen und suche nach etwas. Nach was eigentlich? Ah, es fällt mir ein - der Gasanzünder! (Auf Charter-Schiffen kocht man in aller Regel auf Propangas-Herden und braucht dazu einen Gasan­zünder). Unbewusst musste ich ihn gesucht haben. Ebenso unbewusst hat mir eine innere Stimme wohl gesagt: Lass das, das brauchst du nicht. Und nun sieht mein waches Bewusstsein mich unschlüssig dastehen, und es weiß nicht warum!

Christa, eine der Mitseglerinnen, berichtet, sie überlege am WC immer noch, wohin sie das Papier geben soll – in den Kübel (wie auf Booten wegen der engen Abflussrohre üblich) oder in die Muschel.

Was heißt da Vergangenheit?
Ich süße mir meinen Kaffee immer noch mit Zucker aus den mir verbliebenen Bordvorräten. Und habe ich doch noch immer meine unverschämte Bräune, wie ich sie bei der Gartenarbeit so nahtlos nie hinkriege. Siebzehn sehr entspannt-intensive Tage in meinem Leben – das berührt, bewegt, verändert - nachhaltig. Das wird nicht Vergan­genheit, das hat auch in Zukunft Gegenwart.

Spontan fällt mir ja das blockierte Ruder ein, bei frischer Brise und grober See. Fünf­zehn Minuten, in denen ich versuche, den Quadranten des blockierten Ruders von der Antriebsstange zu trennen. Die Mutter habe ich abgeschraubt, doch die lange Schraube kriege ich nicht raus, weil sie oben ansteht. Ich krieche wieder hervor aus der schwankenden Heckkoje. Säuerlicher, dünnflüssiger Speichel macht sich breit in meiner Mundhöhle. Das sind die Vorboten. Ich lege die Zahnprothesen ab und verhole mich ins Bad. Das erste Mal auf einem Schiff dreht sich mein Magen um. Viel ist ja nicht drin. Christa hilft mir, meine Zähne einzusammeln. Dann sammle ich mich selbst. Wie weit ist das Ufer in Lee noch weg? Naja, das reicht sicher drei Stunden. Weit und breit kein anderes Schiff zu sehen, nur die großen Augen der Mitsegler! Ich greife zum Handy. Apostolos, der Eigner und Basisleiter am anderen Ende: „Du musst schauen, was ist los mit der Kette!“

Das Segeln auf das Sensationelle, das leicht Erzählbare reduzieren?
Erzählt wird nur, was zähl- und messbar ist? Wollte ich das jemals? Segle ich etwa deshalb, um mal zu spüren, wie es ist, wenn mir die Souveränität über das Schiff entglitten ist? Zugegeben, es hat schon was, dieser Moment des starken Handlungs­bedarfes, wo du ganz bei dir, aus Bauch und Kopf heraus rasch handelst. Schließlich ziehe ich die Gliederkette, die die Drehbewegung vom Rad hinunter ans Ruder brin­gen sollte, aus der Steuersäule: das Spannschloss ist gebrochen, die beiden Kettenenden sind auf das Zahnrad gefallen und haben es blockiert. Nun ist das Ruder wieder frei schwenkbar. Mit Notpinne und unter Motor machen wir die letzten Meilen bis in die Ormos Fikidia auf Sifnos. Anker auf der einen Seite, Landfeste auf der anderen. Schwimmwesten und Lifebelts abgelegt, raus aus den verschwitzten Klamotten, rein ins reine Wasser. Ziegen meckern vom steilen Hang herab. Aus der Kombüse kommen verheißungsvolle Geräusche und Düfte. Alles ist wieder gut. Eine entspannte Nacht wird uns umfangen.

Es hat mich sehr bewegt. Und es gibt was her zum Erzählen!

Und was ist mit dem ganzen Tag in der Sandbucht?
Gibt es da was Erzählbares? Wie soll ich schreiben, was ich fühle, was die Edith fühlen dürfte, wenn sie sich wohlig suhlt im heißen Sand? Wenn ich rücklings am flachen Strand liegend eine Stunde lausche, wie Welle um Welle heranrauscht? Das Gefühl beim morgendlichen Sprung ins nasse Blau? Das Dasein feiern, still in einer geschützten Mulde am Sandstrand?

Die bunten Steine! Die Formen und Schichtungen der Felsblöcke an der Flanke der Bucht! Das ganz sanfte Schwanken des Bootes, nachts, wenn alles schläft. Du spürst wie die eine Körperhälfte ein ganz wenig weniger schwer auf der Unterlage liegt, wie die andere. Und dann kommt die andere Seite dran. Und dann wieder die eine. Was tut das mit deinen Muskeln? Du kannst es zulassen oder du steuerst dagegen. Du kannst dem nachspüren, etwa anstatt Schäfchen zu zählen. Wenn da nicht der innere Drang wäre. Du scheust es, mit der WC-Pumpe zu lärmen und gehst nach oben. Ein von tausenden Sternen übersäter Himmel über dir! Vielleicht tauchst du ein ins glitzernde Nass und übergibst dem Ozean, was dich bedrängt. Mir fällt der Satz ein: Über das Wasser kommunizierst du mit der ganzen Erde und sie mit dir. Und dennoch – kein Mensch, außer dir, weiß, dass du jetzt genau da bist.

Die Wohltat gemeinsamen Tuns.
Warum mögen wir an Bord uns, wo doch jeder so seine merkwürdigen Eigenarten hat? Warum kocht die Elisabeth so gerne und so gut? Warum kocht der Herwig so gerne und so gut? Warum zieht die Christa so begeistert die Leinen?

Ich sitze hinterm Ruder. Jemand schenkt mir kühles Bier ein und ein Lächeln dazu.

Christa, die Co-Skipperin, ist ganz stark befallen vom Segelvirus. So richtig Leine ziehen - Großschot dicht, rundachtern, Vorsegel fällt, Großschot fieren und wieder einholen – warum macht ihr und uns allen das solche Freude? Herwig und Edith sind die begeistertsten Landleinenmeister, die ich je an Bord hatte. Edith lässt keine Gelegenheit ungenutzt, um ins salzige Nass einzutauchen. Es geht nicht nur über Kopf oder Bauch, glücklich macht auch das Tun mit dem ganzen Körper!

Nach dem Törn habe ich mal mit Christa gemeinsam nachgedacht, was es mit dem Tun, mit der Bewegung auf sich haben könnte. Wir kommen zur Auffassung: Neben der Bewegung und der Anstrengung, die ein eigenes Körpergefühl auslöst und zu Ur-Vitalität erinnert (die jedes Lebewesen seit dem Zeitpunkt der Zeugung hat), ist es für uns am Segelschiff vor allem das Sein inmitten des Rhythmus’ der Natur. Da vorne auf dem Schiff mit dem Blick in die Unendlichkeit, nachts die des Sternenhimmels, die Verbundenheit mit den Wellen, den starken Winden, der Urgewalt, das Ausgeliefertsein, das Getragensein auf dem Wasser, kann an Urvertrauen erinnern. 

Erinnerungen

Elisabeth sitzt alleine in der Disco. "Shine on You Crazy Diamond"  wünscht sie sich vom DJ. Sie wird zur jungen Frau und bekommt feuchte Augen. Da vorne an dem Strand, damals noch völlig unbefestigt, sieht sie sich mit dem damals neuem Freund, später ist er ihr Ehemann geworden, und ihrem ältesten, 12jährigen Sohn an der Hand vorbeiziehen. Dort an der Ecke steht er noch, der alte Baum ---.

Und die einsame Wanderung vom Hafen Leivadion (Serifos) hinauf zur Chora,
der Altstadt am Berg! Die engen Gässchen, die Treppen, kaum Touristen, keine Sou­vernierläden. Oben ein kunstsinniger Cafetier. Gedichte – griechisch, englisch und französisch, Bilder großer Maler, wenn auch in bescheidener Drucktechnik, in die Speisekarte gesetzt – sie bringen Tiefes in dir zum Schwingen. Du setzt dich hin und alles ist in Frieden. „Jetzt war ich in Griechenland,“ berichtet Herwig, als er gegen Mittag, noch ganz einwendig, wieder ankommt am Schiff.

Ein Mechaniker hat inzwischen das Ruder repariert. Wir bleiben noch in Serifos, ehe wir am späten Abend zur Vollmond-Nachtfahrt auslaufen. Am Nachmittag suche ich das gleiche Cafe auf, und finde Entspannung. Zeit, mich dem Tagebuch zu widmen. Die Seglergruppe am Nachbartisch hält mich für Hemingway, zumindest für seinen spätergeborenen Doppelgänger und lassen mich teilhaben an ihrem Spaß. Nach und nach gesellen sich meine MitseglerInnen zu mir. Elisabeth weiß mir einiges aus der Biografie von Hemingway zu erzählen. Na gut.

Abendessen im nahen Restaurant. Selbstverständlich werden wir in die Küche ge­beten. Da können wir in guter griechischer Tradition alles anschauen und dann bestellen.

Nächtlicher Abstieg. Musik lockt mich, ein paar Schritte, in ein Gässchen hinein. Da sitzen sie, zwei Musiker. Beide mit dem Rücken zu mir, die Gesichter nach unten in den Hafen und hinaus aufs Meer gewendet. Vom Gitarristen sehe ich hauptsächlich das Haupt über die griechisch hohe Sessellehne herausragen und seine linke Hand. Vom Geiger sehe ich nur die Rechte. Sie führt den Bogen. Dabei bewegt sie sich munter auf und nieder und hin und her. Das Restliche des Geigers verdeckt die Hauskante. Sie spielen was Griechisches mit immer wiederkehrenden Sequenzen. Es erinnert mich irgendwie ans Mantra-Singen. Schon meint man, jetzt endet das Stück, doch es wird bloß leiser, etwas beiläufiger. Die Geige spielt jetzt ziemlich al­leine. Doch dann kommt die Gitarre wieder dazu und munter klingt es weiter. Sie haben keine geladenen Zuhörer um sich. Es ist schlicht ihr Feierabend. Ich feiere ein wenig mit und ziehe mich - mein beifälliges Händeklatschen wird von den versunkenen Musikanten nicht wahrgenommen - unbemerkt zurück. Das Spiel der beiden, für unsere Ohren immer leiser werdend, begleitet uns noch bis weit hinunter.

Nun schon zehn Tage am Boot, das macht dich langsam, weit und offen für das Wahrnehmen solcher Kostbarkeiten.

Ja, und das mit den Calendar Girls
muss ich noch zu Papier bringen. Den Film Calendar Girls solltest du gesehen haben, dann weißt du besser, wovon ich jetzt schreibe. Ich liege da in der wunderschö­nen Sandbucht. Die Elisabeth schenkt mir gerade eine anderthalbstündige Fuß- und Hand-Massage. Ich bin ganz Alpha-Zustand. Die Massage geht ins Finale. „Ich sehe zwei Strohhüte kommen,“ höre ich Elisabeth sagen. Dann Frauenstimmen, vertraut im Tonfall, so oberösterreichischer Klang. Irgendwann – meine Wohltäterin streicht ein letztes mal über meine Arme - öffne ich meine Augen und sehe mich umgeben von acht nackten Frauen, alle in den fortgeschrittenen Jahren, wo sie immer schöner werden (Zitat aus dem genannten Film) - acht richtige Calendar-Girls! Ja, sie sind eine Wandergruppe aus Linz. Mit dem Bus sind sie vom Osten der Insel Syros bis zu den Windrädern auf der Anhöhe gefahren. Nun wandern sie von Bucht zu Bucht, baden, schauen, picknicken, plaudern – und staunen wie wir, dass wir hier aufeinandertreffen.

Zwanzig Minuten lang begleiten uns an die zehn Delfine,
große, mittlere und ganz kleine. Niemand von uns hat sowas je gesehen. Wir sind unterwegs von Folegandros nach Sifnos, hart am Wind mit 7 Beaufort und darüber. Die Welle hat an die 2 Meter. Da schauen uns die Tiere wieder und wieder von oben in die Plicht. Sie sind neugierig wie Haustiere an Land. Sie spielen rund um unser Boot herum. Nur so aus Spaß? Wir können uns des Eindruckes nicht erwehren, dass sie uns was sagen wollen. Vielleicht nichts Großartiges. Vielleicht bloß: „Genieße den Augenblick! . . .“ „Carpe diem,“ wie der Lateiner sagt.

Während ich diese Empfindungen in den PC tippe, sind drei MitseglerInnen aus einer anderen Fahrt bei mir zu Besuch eingetroffen. Max hat das nachstehende Lied mitgebracht und begleitet sich selbst damit auf seinem Schifferklavier:

 

"Irgendwann bleib i dann dort"
  1. Der letzte Sommer war sehr schön, i bin in irgendoaner Bucht gelegn.
    Die Sunn wie Feuer auf der Haut, du riechst es Wasser und nix is laut,
    irgendwo in Griechenland, jede Menge weißer Sand,
    auf mein’ Rücken nur dei’ Hand.

 

  1. Nach zwoa, drei Wochen hab’ ich’s gspürt, i hob des Lebensgfühl dort inhaliert.
    Die Gedanken drahn si um, wos z Haus wichtig war, is jetzt ganz dumm.
    Du sitzt bei an Olivenboam, und du spielst dort mit an Stoan,
    es is so anders als derhoam.

Ref.:    Und irgendwann bleib i dann dort,
lass alles liegn und stehn, geh von daheim für immer fort.
Darauf geb i mein Wort,
wieviel Jahr’ a noch vergehn, irgendwann bleib i dann dort.


  1. In unsrer Hektomatikwelt, draht si’ alles nur um Macht und Geld.
    Finanz und Banken steign mir drauf, die Rechnung, die geht sowieso nie auf,
    und irgendwann fragst di, wieso quäl’ i mi da so schreckli ab
    und bin net längst scho weiß Gott wo.

 

  1. Aber no is’ net soweit, noch was zu tun befiehlt die Eitelkeit.
    Doch bevor der Herzinfarkt mi mit 40 in die Windeln prackt.
    lieg i schn irgendwo am Strand, a Bottle Rotwein in der Hand,
    und steck die Füß in’ weißen Sand.

 

von STS  (Steinbäcker, Timischl, Schiffkowitz) 
M. + T.: G. Steinbäcker / Edition Scheibmaier 1985

Mehr darüber in www.sts-page.com

 

Fakten und Daten zum Anfassen.

 

Die Menschen an Bord
kamen aus meinem Freundeskreis, doch kannten sie sich zuvor untereinander gar nicht. In einer Vorbesprechung mit allen für 2007 Segelinteressierten hat man sich flüchtig gesehen. Es kam zu einer „Kennenlern-Wanderung“, rund um einen See im niederösterreichischen Alpenvorland, einschließlich einer kleinen Boot­fahrt. Dann letzte Vorbesprechung im Gasthaus. In der Einladung zu diesen obligaten Kennenlerntagen lasse ich den Gedanken anklingen, dass das nicht ein „verlorener“ Tag ist, sondern ein „gewonnener“. Das Kennenlernen schließt ein, dass ich besser absehen kann, was mich erwartet – eingrenzend, wie erweiternd. Das hat dann noch Gelegenheit, ein paar Monate zu reifen. Man mailt einander dies und das und begegnet an Bord schließlich vertrauten Bekannten. Davon halte ich was und kann es sehr empfehlen.

Christa, vom Segelvirus befallen, Co-Skipperin, Segelschein-Anwärterin, fasst fast alles an an Bord
Edith, neu beim Segeln, sehr hydrophil, Spezialistin für Landleinen;
Elisabeth, ziemlich neu beim Segeln, Köchin aus Liebe;
Herwig, Binnensegler in Jugendzeiten, Spezialist für das Herauftauchen von Abgetauchtem und für Landleinen, Koch, weil er gerne kocht (und gut), Sudoku-Kompetenz;
Volkmar, Skipper.

Das Schiff:
„Eros“, Bavaria 39, Bj 2007 – also sehr neu. Es hat alles bestens funktioniert – ab­gesehen vom Ruderausfall. Ich halte ihn für die Folge eines nicht vollständig durchgeführten ersten Services des neuen Schiffes. Auslöse war die starke Be­anspruchung beim Segeln hart am Wind von 6 bis 7 und grober See.

Unmittelbarer Auslöser für den Ruderausfall dürften die vier Schrauben gewesen sein, mit denen das Gestell, das die beiden Kegel-Zahnrädern lagert, am Schiff festgemacht ist. Alle vier Schrau­ben waren wahrscheinlich von Anfang an locker gewesen (Wartungs-Mangel?). Dadurch dürfte die Kette mehrmals über die Zähne eines der Kettenräder gesprungen sein. Der Kettenspanner (mit dem Links- und Rechtsgewinde) dürfte in den Bereich eines der Kettenzahnräder gekommen sein, in der Folge dürfte er über das Kettenrad gezogen, verbogen und abgebrochen worden sein. Jetzt bin ich Spezialist für Ruderantrieb geworden und werde künftig bei der Übernahme eines Schiffes die gesamte Kraftübertragung von Rad bis Ruder gut in Augenschein nehmen. Aber das nächste Schiff wird seine schwache Stelle woanders haben, fürchte ich.

Anstelle des Pflugankers am Bug wäre mir ein Bruce-Anker lieber gewesen. Wir hatten oft Probleme, weil der Anker nicht halten wollte.

Der Agent , Pitter-Yachting, Hartberg/Österreich hatte für mich noch den Frühbucher­rabatt herausgehandelt, meine ihm anvertrauten Anzahlungen brav abgeliefert, auch ohne Haftbrief. Aber Bauchweh hatte ich dennoch.

Der Veranstalter hieß auf einmal COSMOS und nicht so wie der im Vertrag mit Pitter genannte Partner. Ich habe keine Ahnung in welch heikle juristische Situation mich das gebracht hätte – es gab keinen Anlass zu Klage, abgesehen von dem vermuteten Wartungsmangel, der zum kurzzeitigen Ruderausfall geführt hat. Die Unterstützung während des Ruderausfalles und die Reparatur waren beste Leistung. Wir empfanden uns angemessen entschädigt, durch die Gewährung eines zusätzlichen Segeltages. Das Schlauchboot verlor selbstverständlich Luft. Anders habe ich das nie erlebt, weder auf einem Charter-, noch auf einem Eig­nerschiff.

Der Mann von der Basis , Apostolos, war zugleich Eigner der „Eros“. Er hat sich bei der Übergabe an uns eine gute Stunde Zeit genommen und alles erklärt was ihm wichtig war. So ausführlich, korrekt, perfekt und aufmerksam habe ich noch nie ein Boot übergeben bekommen. Naja, bei Ecker in Lavrion im April, das war dem ebenbürtig.

Basisstation in Lavrion – gibt es nicht. Apostolos war eigens aus Athen angereist, um uns das Boot zu übergeben.

Der Ausgangsort , Lavrion, ist ein mittelgroßes Dorf mit Hafen und den in Häfen übli­chen Begleiterscheinungen: Licht und Lärm auch nachts, überdies einigermaßen Schwell. Wir haben es vorgezogen, in der übernächsten Bucht die erste Nacht vor Anker zu verbringen. So haben wir die fehlenden Sanitäranlagen im Hafen erst gar nicht vermisst. Abgesehen davon, sind wir nicht zum Duschen nach Grie­chenland geflogen, sondern zum Segeln.

Die Fahrtroute :
Lavrion (Attika) – Kea – Kythnos – Serifos – Kimolos – Ios – Folegandros – Sifnos – Serifos – Syros – Kythnos – Bucht Anavissou (Attika) – Kalamati (Athen/Piräus)

Seemeilen unter Segel:   186,7
Seemeilen unter Motor:    117,5
Seemeilen gesamt:           304,2
17 Bordtage
1 Nachtfahrt

Das Wetter:
Apostolos, der Mann von Basis, war auch unser wichtigster Informant über das Wetter. Täglich um 9 Uhr haben wir uns mit dem Handy die aktuellen Prognosen bei ihm abgeholt. Dazu wetterbezogene Empfehlungen, in welchem Hafen wir aktuell gut geschützt sein würden. Froh bin ich gewesen über meine griechische SIM-Karte. Das hat sich in vielen Situationen mehr als bezahlt gemacht. Sehr schöne Prognose mit Wetter- und Windkarte gab’s im Internet(-Cafe) unter www.poseidon.hcm.gr  . Über Funk war nichts zu empfangen.
Starker Nordwind – es war kein richtiger Meltemi, wurde uns gesagt, weil der zeit­liche Verlauf während Tag und Nacht nicht Meltimi-typisch sei – hat uns einen be­wegten Tag vor unsicherem Anker in einer Bucht (Stephanous auf  Kythnos) verbringen lassen und zwei weitere, entspannte Tage an Leinen im ruhigen Hafen von Ios. Es überwogen bei weitem die Sonnentage, mit moderaten Winden und erquicklichen Badetemperaturen von Luft und Wasser.

An- und Abreise:
Wien – Athen mit SkyEurope-Billiglinie (€ 100), leider mit etwas exotischen An- und Ankunftszeiten. Flughafen – Lavrion mit öffentlichem Bus, ebenso Kalamaki (Piräus) – Flughafen. Busse sind leicht erfragbar, verkehren aber nicht so richtig nach Fahrplan. Entsprechende Zeitreserven hatten gut getan.

 

Informationen aus dem Logbuch
und einigen G’schichtln dazu

Freitag, 14.09.:
Proviantversorgung ist in Lavrion kein Problem. Auch für das erste Abendessen ist gute Gastronomie vorhanden. Fürs gleiche Geld wie vorne in der ersten Reihe kann man ein bisschen weiter hinten zweimal essen gehen. Wir verlassen noch am späten Nachmittag den Hafen und ankern in der südlich gelegenen Bucht Passalamani. Der Anker hält erst beim achten Versuch.

Samstag, 15.09.:
Einweisung der Crew. Zu Mittag bei schwacher Brise, erst aus N, später über W nach S drehend segeln wir recht sanft unsere ersten Meilen am S-Kap der unwirtlichen Insel Micronisos vorbei in die Bucht Kavia auf Kea. Wir sind nicht alleine, doch es ist Platz genug vor Anker für alle.

Sonntag, 16.09.:
Der Loggegeber braucht Zuwendung. Kurz ausgebaut und mit Essig behandelt. Dann geht es schon etwas lebhafter (um die 20 Knoten Wind aus NE) um die Südspitze der Insel Kea herum. Dann ostwärts, auf das N-Kap Kefalos von Kythnos zu. Der Wind legt auf 28 Knoten zu und dreht freundlicherweise etwas rück nach N. Wir reffen, kommen glücklich um Kafalos herum. Nun gibt’s raumen Wind. Hinter dem Kap Stephanou gibt es ein paar Buchten. In der ersten – Ormos Ioannou - gehen wir vor Anker.
Doch der Anker hält nicht und nicht. Wir bringen das Schlauchboot ins Wasser, um damit den Anker neu auszubringen. Doch da versagt dessen Motor. Herwig und Edith treiben damit mehr und mehr dem Ausgang der Bucht zu. Der Wind ist ziemlich stark und böig. Ich kann den beiden im Moment nicht helfen, denn bei mir am Boot hat die Landleine am Ostufer den Stein, an dem sie festgemacht war, ins Wasser gezogen. Sie hält unter Wasser offenbar noch ein wenig. Dann gerät die zweite Landleine in die Schraube. Das Problem wird mit scharfem Bootsmesser ritsch-ratsch gelöst. Herwig hat den Außenborder des Schlauchbootes wieder flott gekriegt und kehrt zu­rück zum Segelboot. Jetzt sind wir alle wieder da. Die Landleinen werden eingeholt. Der Anker wird hochgeholt. Wir geben uns noch ein paar vergebliche  Ankerversu­che, und suchen dann die nächste Bucht auf. Hier hält der Anker ebenso wenig, aber es gibt diesmal keine Nebenmanöver.
Dann ab in die eigentliche Ormos Stephanou. Jetzt lasse ich nicht mehr locker. Nach dem 25. Versuch lässt hier auch der Anker nicht mehr locker. Nächtliche Ankerwache ist angesagt. Nachts kommen noch zwei Schiffe herein. Stundenlang machen sie Ankerversuche. Endlich liegen sie, beide längsseits aneinandergelegt vor Anker. Nach zwei Stunden beginnt deren Spiel von Neuem. Schließlich verlassen sie die schwer ankerbare Bucht und gehen auf Nachtfahrt. Diese Bucht hat einfach ganz schlechten Ankergrund.

Montag, 17.09.:
Am nächsten Tag machen wir es anderen, neu angekommen Booten nach, was bei genauem Lesen auch dem Hafenhandbuch zu entnehmen gewesen wäre: Landleine an einen der Bäume am Strand, Anker buchtauswärts und du kannst schlafen gehen, ohne Ankerwache. Wir bleiben den ganzen Tag und die folgende Nacht in der Ormos Stephanou.

Dienstag, 18.09.:
Wind 3 – 4 bft aus N. Wir nehmen Kurs nach S, zumeist mit Schmetterling. Wir sind früh im Hafen Leivadion und können uns den Platz mit Heck an der Mole, den Bug am Anker noch aussuchen. Bis zum Abend wird alles voll. Hier wird Isabella an die Zeit des Inselhüpfens vor vielen Jahren mit Mann und den zwei Söhnen erinnert. Ei­gentlich wollten wir im Süden der Insel in einer großen, stillen Bucht vor Anker näch­tigen. Doch wie das so ist in Griechenland mit dem Wasser. Der Hahn ist ja da, aber versperrt. Was fehlt ist der Wassermann. Er käme meist am Nachmittag, meint ein griechischer Dauerlieger. Aber sicherlich so um 17 Uhr. Es wird 18 Uhr und 19 Uhr – da kommt er nun wirklich. Wir sind zwar als erste dran, doch es wird uns zu dunkel, um die gänzlich unbefeuerte Bucht im S von Serifos bei Nacht sicher anzulaufen und bleiben daher im Hafen.

Mittwoch, 19.09.:
Noch im Dunkeln starte ich die Maschine. Im Osten hell die Venus, ein leichter Schein am Horizont, später rötlich. Und da steigt auch glutrot die Sonne herauf. Der neue Tag sieht uns in der Ormos Koutala im S von Serifos ins Wasser springen und das Frühstück einnehmen. Der Anker hält angemessen gut bei Wind von 2 bft aus W. Es wird ein sehr kontemplatives Segeln nach S. Eigentlich hatten wir Milos zum Ziel gehabt, doch es ist schon spät. In den Buchten im W von Kimolos gibt es aktiven Bergbau mit verschiedenen Mineralien. Selbst Herwig, Absolvent der Montan-Hoch­schule in Leoben, empfindet sie sehr ungastlich. In der Abenddämmerung gehen wir in der flachen, weiten Bucht im S von Kimolos vor Anker. Es wird wieder eine sehr ruhige Nacht. Doch für den nächsten Abend ist starker Meltemi angesagt. Apostolos von der Basis legt uns sehr nahe, den Hafen von Ios aufzusuchen. Der sei sehr si­cher.

Donnerstag, 20.09.:
Es ist stockfinster, kein Mond, nur Sterne, als wir auslaufen: 1 sm nach S, dann neuer Kurs 90°, bis wir das Feuer an Backbord in der Dunkelphase, dann wieder in der Lichtphase haben ... Die steile Felsküste im S von Polygaios blickt auf uns herunter. Irgendwann vor ein paar tausend Jahren müssen da größere Teile der Steilküste ins Meer herabgesackt sein. Einzelne spitze Türme ragen dicht an der eigentlichen Küste hoch heraus aus dem Wasser. Bad und Frühstück begehrt die Crew. Wir ha­ben viel Zeit. Mit 2 bis 3 Knoten Fahrt erreichen wir den Hafen von Ios. Es ist erst 14 Uhr. Der vorletzte Platz an der Mole zwischen zwei Eigner-Booten ist der unsre. Der Engländer, der noch weitere zwei Tage unser Backbord-Nachbar sein wird, hält uns schon die Muringleine hoch. Heckleinen über und zurück, Muring durchsetzen. Pas­sarella gelegt. Wir sind in Ios. Edith erforscht gleich noch den Weg zur Chora am Berg oben. Ich komme nicht ganz so weit. Yacht um Yacht findet Platz im Hafen, wenn auch nicht an so geschützter Stelle wie wir hier an der Ostmole. Die halbe Nord-Pier, eigentlich den Fährschiffen vorbehalten, wird zugeparkt mit Segelyachten.

Freitag, 21.09.:
Der Fährbetrieb ist eingestellt worden. Am offenen Meer soll es 8 bft haben, mit Spitzen von 9. Im Hafen sind es 5 bft. Wir bleiben hier im sicheren Hafen, schließlich haben wir doch Urlaub!

Samstag, 22.09.:
Ähnlich die Lage am Sonntag. Daher Zeit für Landausflüge. Auch hier gibt es am Berg die Chora. Unwirklich reizvolle Architektur. Alles sehr sauber. Die Wände weiß, die Fenster blau. Viele kleine Geschäfte mit Angeboten für uns Touristen, Cafes und Restaurants. Uns zieht es hinüber zu dem riesigen Sandstrand. Baden, von den Wellen überrollen lassen, Starkwind-Frisbee spielen.

Sonntag, 23.09.:
Der Fährbetrieb ist wieder eingestellt. Die Prognose deutet auf Nachlassen des Starkwindes. Die Crew scharrt in den Startlöchern. Studium der Wetterkarte, Blick ins Internet, Gespräche mit den Eignern von den Nachbarschiffen, eingehende Beratung und Beschlussfassung: Wir fahren nach Folegandros in die Ormos Vathi. Draußen erwarten uns flotte 6 bis 8 bft aus N. Unser Kurs ist SW – raumer Wind. Die Crew ist begeistert. Wir verlassen den Windschatten südlich von Sikines. Da wird es schon lebhafter. Am Südost-Kap von Folegandros wechselt es von Flaute bis Fallböen aus allen Richtungen. Wir halten uns daher etwas ab von der Insel. Schließlich hat der Wind rückgedreht. Es heißt aufkreuzen bei ziemlich hoher Welle. Das fordert mich am Ruder ziemlich. Zweimal spüre ich einen kurzen Ruck am Ruder. Da ist, wie ich mir später zusammenreimen kann, die Gliederkette, die Steuerrad und Ruder verbin­det, über einen Zahn gerutscht. Zwei Stunden hält die Freude am Segeln noch an. Dann sehnen alle das Ende der wilden Fahrt herbei. Drei Landleinen und ein Anker schenken uns eine ruhige Nacht in der Bucht Vathi auf Folegandros.

Montag, 24.09.:
Mit Holeschlag und Streckschlag kreuzen wir immer hart am Wind nordwärts. Er hat auf 7 bis 8 zugelegt. Ich ziele auf die Bucht Fikidia auf Sifnos. Hier erleben wir den Delfin-Schwarm, bei Welle von 2 Metern schauen sie uns von oben ins Cockpit.

Des Kreuzens müde – der Wind bläst uns schließlich geradewegs auf die Nase - entscheiden wir uns, die letzten Meilen unter Motor zu fahren.

Da passiert nun das mit dem Ruder. Erst blockiert das Rad, dann dreht es leer durch. Die Notpinne hilft nichts, denn das Ruder ist blockiert. Die Ruderblockade kann gelöst werden. Weitere Details sind im „Empfindungs-Teil“ am Anfang des Berichtes ausführlich beschrieben.

Unter Motor und mit Notpinne erreichen wir schließlich wohlbehalten unser heutiges Ziel, die Bucht Fikidia mit den meckernden Ziegen am Steilhang. Der Anker hält, ge­messen am schwachen Wind, ausreichend. Nach Süden haben wir eine Landleine ausgelegt. Bei stärkerem Wind würde ich den Anker wohl entlasten durch eine wei­tere Landleine ans Nordufer der Bucht.

Irgendjemandens Handy hat kurzzeitig Verbindung mit einem Betreibernetz. Wir können dem Apostolos von der Basis noch kurz unsere erfreuliche Situation mitteilen. Er empfiehlt uns Leivadion auf Serifos anzulaufen. Dort würden wir Möglichkeit zur Reparatur vorfinden. Er spricht davon, dass er allenfalls einen Mechaniker von Athen aus zu uns schicken wolle. Weil wir nun einen Tag verlieren werden, bietet er uns an, einen Tag dranzuhängen. Das passt uns gut, denn unser Flieger geht sowieso erst am Montag. Nun werden wir uns das Hotel sparen. Ich schicke dem Apostolos noch ein SMS, worin ich den Schaden so genau wie möglich in aller Kürze darstelle, damit er seinen Mechaniker ausreichend vorbereiten kann.

Dienstag, 25.09.:
Nach dem Frühstücken verfasse ich das Schadensprotokoll, für alle Fälle. Wir segeln mit schwacher Brise aus Süd den Rest des Tages nordwärts und machen am Abend an der Mole in Leivadion fest.

In den griechischen Häfen habe ich noch nie jemanden gesehen, der sich darum kümmern würde, wo und wie ankommende Schiffe festmachen. Wie wir in Leivadion einlaufen liegen alle brav römisch-katholisch, also mit dem Heck an der Mole. Ein herziges Boot mit englischer Flagge liegt längs und vertut den Platz von zwei. „The wind,“ beteuert der Skipper. Er meint wohl den Achter-Meltemi von gestern und denkt leider nicht daran, sich um 90° zu verholen. Zwei junge deutsche Segler sind da voll kooperativ. Sie rücken ein wenig hinaus. Der Eigner aus England respektiert schließlich doch die Risikofreude von uns Charter-Schiffern und rückt etwas zur Seite. Und fürs erste können wir mal ans Land gehen.

Mittwoch, 26.09.:
Apostolos hat großes Glück. Und wir mit ihm. Er hat einen befreundeten Mechaniker angerufen, um ihn mit der Fähre von Athen zu uns zu schicken, nichtwissend, wo sich der gerade aufhält. Der Mechaniker antwortet ihm, er sei auf Serifos. „Wo in Serifos?“ „An der Mole von Leivadion.“ „Siehst du mein Schiff, die EROS?“ „Ja, da vor mir liegt sie.“ Von diesem Dialog sollen wir erst ein paar Tage später, nach der Ankunft in Athen/Kalamaki“ erfahren. Ich beobachte in diesem Moment nur, dass vor dem Boot ein Mann ein Telefonat beendet und zu uns aufs Boot kommt. „Ja, Apostolos schickt mich.“ Zu Mittag ist alles repariert.

Wir haben uns auf eine Nachtfahrt eingestellt. Und am Nachmittag nützt jeder/jede seine/ihre Zeit individuell. Das ist der Tag, an dem einige von uns zuerst einzeln die Chora erforschen und genießen. Oben treffen wir wieder aufeinander und speisen gepflegt. Der Klang der Instrumente zweier Musiker begleitet uns ein Stück bergab. Aufs Boot zurückgekehrt machen wir klar Schiff zur Nachtfahrt mit dem Ziel Syros Westküste.

Donnerstag 27.09.:
Obwohl wir gerne auch bei schwachem Wind segeln, brauchen wir diesmal viel Mo­tor. Es ist Vollmond. Der Himmel ist halb bedeckt. Es ist noch dunkel, als wir vor Syros stehen, bzw. nun doch, wenngleich sehr sanft, segeln. Wir lassen uns Zeit, bis es hell ist. Eher zufällig steuern wir auf die Bucht Aetou zu. Das ist die, mit dem fei­nen Sand, mit dem Rauschen der Wellen und den Calendar Girls.

Freitag, 28.09.:
Wir nehmen ein letztes Bad im Meer und dann Abschied von der schönen Bucht Aetou. Bei schwacher Brise erreichen wir 8 Stunden später, hart am Wind segelnd den Hafen Loutron auf Kythnos. Wir brauchen unbedingt noch Wasser. Doch weit und breit kein Wassermann, weder in Sicht, noch zu erfragen. Schließlich zeigt uns unser Bootsnachbar den Wasserhahn, versteckt in einer kleinen Nische am senkrechten Teil der Mole, direkt neben uns. Wie das Leben so spielt.

Unser erster Anlegeversuch an der Innenmole war von einer merkwürdigen Begebenheit be­gleitet. Ein sehr großes Motorboot nimmt uns die Sicht auf das restliche Drittel der Mole zum Land hin. Wir gehen davon aus, dass wir dahinter keinen Platz mehr haben werden und beschließen, uns zwischen zwei dicken 60-Fuß-Slups hineinzudrängen. Beide haben an der anderen Seite noch genug Zwischenraum zu ihren Nachbarschiffen. Wenn sie ihre Heckleinen etwas fieren, wird sich das leicht ausgehen. Der Anker fällt und wir steuern achtern dem Raum zwischen den beiden Seglern zu. Das eine Boote hat Schweizer Nationale. Der Eigner spricht, besser gesagt schimpft auch so. „Sie können da nicht hereinfahren. Das hat doch keinen Platz hier.“ Meinem freundlichen Ersuchen zu Kooperation und um Nachlassen der Heckleinen kommt er halbherzig nach und leis­tet weiterhin verbal Widerstand. Ich vermute er projiziert alle schlechten Erfahrungen, die er je mit Charter-Schiffen gemacht hat, auf uns. Der Eigner des anderen Bootes steht an der Mole und tut so, als ginge ihn das alles nichts an. Ich breche das Manöver schließlich ab und finde landwärts hinter dem großen Motorboot doch noch Platz.
Später sehe ich den unfreundlichen Kapitän von Bord ins Restaurant gehen. Der Hafen ist in­zwischen sehr voll geworden. Ein Motorboot, um die Hälfte breiter als unsere Bavaria 39 schiebt sich zwischen die beiden Segelboote, still und unbemerkt von deren Kapitäne, die zufrieden mit sich und der Welt gerade speisen.
Gerne hätte ich dem unwilligen Kapitän einen guten Morgen gewünscht und mich nach seiner Befindlichkeit erkundigt. Er muss schlecht geschlafen haben, denn er war schon vor dem Morgen­grauen ausgelaufen. Ich merke, dass ich mich, trotz reifen Alters, einer gewissen Genugtuung nicht erwehren kann.

Samstag, 29.09.:
Wir beginnen an die Heimreise zu denken. Teils bei schwachem Wind segelnd, teils motorend, sind wir am Abend in der Bucht Anavyssou, im Süden an der Halbinsel Attika. Ich kenne die Bucht schon vom Erkundungstörn im April. Sie liegt einigerma­ßen abseits der lauten Straße und des lichtverschmutzten Hafens Palaia Phokaia. Die vielen Bojen sind alle belegt. Doch es ist noch viel Platz da zum Ankern. Ein letztes Mal – beginnt nun alles. Ein letztes Mal schlafen an Bord.

Sonntag, 30.09.:
Ein letztes Mal Anker auf. Mit Groß und Genua nähern wir uns der griechischen Hauptstadt. Immer einige große Schiffe in Sicht, viele Segler, noch immer blauer Himmel. Ein letztes Segelbergen, ein letzter Badestopp. Wir passieren die Lichter an den Wellenbrechern der Marina Kalamaki. Apostolos erwartet uns bereits. Ein letztes Mal römisch-katholisch an die Mole, ein letztes Mal den Motor abgestellt.
Die Marina ist gerammelt voll, obwohl die Betonstege mit Schwimmstegen verlängert worden sind und obwohl es die grindigste Marina ist, die ich je gesehen habe. Am Ufer stehen mitten in der Wildnis die Container einiger verwegener Vercharterer, da­hinter tobt der Verkehr einer sechsspurigen Autostraße. Es gibt keinen Zaun, keiner­lei Hinweise auf allfällig vorhandene WC’s, Duschen, Restaurants oder Rezeptionen. Tankstelle gibt es nicht. Auch keinen Tankwagen am Sonntag. Dem höllischen Lärm entgehen wir auch nicht in einem nahen, ansonst gepflegten Restaurant. Einfach bizarr: vorgestern noch entspannt in der wunderbar stillen Sandbucht und hier dieses Inferno.
Wir stoßen ein letztes Mal an, auf die geglückte gemeinsame Zeit, auf die heile Rückkehr und auf uns.
Wir legen uns an Bord für zwei Stunden noch einmal aufs Ohr. Lobenswert: Unser Verbleib an Bord noch bis in den Montag hinein ist für den Vercharterer kein Problem.

Montag, 01.10.:
Da wimmert kurz nach Mitternacht auch schon der Wecker. Rein in die Straßenklei­dung, ein letzter Blick zurück auf unsere „Eros“. Mit Sack und Pack zu Fuß zum Bus. Früher ging das mal leichter. Wir sind vermutlich inzwischen älter geworden. Der erste Bus – mindestens 15 Minuten verspätet - fährt flott durch. Wer schon mal die Leinen um die Schraube hatte, wem das Ruder auf hoher See versagt ist, übersteht auch solche Kleinigkeiten. Wie immer, so auch hier – wenn ein Bus gefahren ist, kommt ein nächster. Am Flughafen das übliche Herumwarten.
Kalt und nass ist es in Wien. Elisabeth verlässt uns als erste schon im Wienerwald. Frühstücken in der Raststation zu viert. In Linz halbieren wir uns. Edith und Herwig steuern dem unteren Mühlviertel zu. Kurz darnach trenne ich mich von Christa vor deren Gartentür und steuere dem oberen Mühlviertel zu. Eine halbe Stunde später bin auch ich daheim.

Die Fahrt ist zu Ende.
Noch schwankt alles rundherum. Latente Suche nach dem Gasanzünder. Höchste Konzentration am WC – wohin nun mit dem Papier? Die braune Haut.

Und?

Der Körper ist wie eine Festplatte, habe ich mal wo gelesen. Er merkt sich alles, jeden Sinneseindruck: Jede bekommene Ohrfeige, jeden Schlag, jede Misshandlung, jede erlittene Gewalttat, jeden Sturz, jeden grässlichen Anblick, jeden Gestank, jedes Sirenengeheul. Das tut uns weh, es erniedrigt uns und nimmt uns Kraft und Freude am Leben. Und, so bin ich sicher – der Körper merkt sich auch jedes Wiegen, jedes Streicheln, jede Zartheit, jedes Duften, jeden guten Sex, jede respektvolle Massage, den warmen Sand auf der Haut, das kühle Nass, jeden Windhauch, jedes herzhaft gute Essen, jedes freundlich gereichte Bier, jedes gemeinsame Tun, jedes lustvolle Ziehen an der Leine, jedes Rauschen im Ohr, jedes Zirpen, jedes feine Wort, jedes Abendrot, jeden Vollmond, jeden Sternenhimmel, jeden Augenblick. Unauslöschlich. Das tut uns gut, es erhebt uns und schenkt uns Kraft und Lebensfreude – und das könnte die Antwort auf das einsame Und im vorigen Absatz sein.

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