Meine Zeit auf Tobago
von 17. Juli bis 23. August 2009 Teil 2

Führung durch den Regenwald

„Welcome in the oldest Nature Park of the world“, hebt Peter, unser professioneller Regenwald-Führer, feierlich an, als wir gut bestiefelt vor dem üppigen Grün stehen. Kurz hinter Roxborough zweigen wir landeinwärts ab von der Windward Road an der Südostküste von Tobago. Wir fahren in den Hauptkamm-Regenwald.



Wir sind zu Viert: Ein schwedisches Paar, Rachel und ich



dazu Peter, der geprüfte Regenwaldführer.


Er hat mich ein paar Tage zuvor auf der Straße angesprochen. Nun lenkt er das an Safari erinnernde Auto.



Das schwedisches Paar, Rachel und ich sitzen hinten auf den Sitzen der ansonst freien Ladefläche. Am Bergsattel steigen wir ab. Ein Mann erwartet uns. Bei ihm gibt’s leihweise Gummistiefel.

„Welcome in the oldest Nature Park of the world“, hebt Peter neuerlich feierlich an – er war unterbrochen worden.

Die Stiefel erweisen sich nun als sehr hilfreich. Wir gehen vorwiegend in aufgeweichter, hellbrauner Erde. Riesige Bäume tun sich vor unseren Augen auf. Keiner der Bäume ist für sich alleine: Um den Stamm schlingen sich „Begleiter“.

Nicht alle sind Schmarotzer. Es gibt, der Ananas ähnliche, Pflanzen auf Ästen und in Astgabeln. Sie sind zuvor auch auf elektrischen Leitungsdrähten in großer Menge zu sehen gewesen.


Es genügt ihnen der Platz hoch über dem Boden. Die Nahrung holen sie sich aus dem reichlich vorhandenem Regenwasser, bzw. den darin mitkommenden Feststoffen aus der Luft. Wohl aber können starke, den Baum umschlingende Pflanzen, ihren Wirtsbaum am Wachstum hindern. Dadurch kann der sterben, erklärt uns Peter. Dem Schmarotzer macht das nichts, er kann auf dem gestorbenen Baum noch Jahrzehnte hindurch weiterleben.


Luftwurzeln in großer Zahl ragen von oben in den Boden, teils von den Bäumen kommend, teils von deren „Begleitern“.

 

Peter hat nicht nur ein Fernglas dabei, sondern auch ein richtiges Teleskop mit Stativ. Damit holt er uns Tiere ins Sichtfeld, die ich mit freiem Auge nie hätte ausmachen können: Ein bunter Papagei torkelt einen Ast entlang. In einer Astgabel ist das winzig kleine Nest eines Kolibris zu sehen. Ein Kaiman liegt halb im Wasser. Peter hält nach „seiner“ Eule Ausschau. Sie heißt „Peggy“, wie seine (verflossene?) Freundin. Er ist ganz happy, wie er sie gefunden hat. Sie sitzt auf einem Baum und putzt sich das Gefieder. Dann hat auch sie uns wahrgenommen und schaut mit großen Augen ins Teleskop.

Die Heimfahrt geht an der Nordwestseite der Insel. Den versprochenen Wasserfall hat er kommentarlos fallen gelassen. Die Schweden kommentieren es mit „it was enough.“ Peter hatte einige etwas dümmliche Anweisungen, wie „ - nimm den Stock in der rechte Hand, oder bist du etwa Linkshänder? Dann nimm ihn in die Linke!“. Es gab noch einige, um einiges entbehrliche Sager.

Als Mitsegler bei recht unterschiedlichen, manchmal eigenartigen Eignern, kann ich gut umgehen mit solchen Sagern. Meist haben diese Menschen Schweres mitgemacht in ihrem Leben. Sie leiden selber unter ihren Wunden, die nie gut versorgt worden sind. Ein angespanntes Gesicht zeigt manchmal was von dem Druck, unter dem sie stehen. Nun versuchen sie, an den Mitmenschen was loszuwerden davon und lassen Meldungen über ihre Stimmritzen, die nicht gut ankommen. Auch wenn die Führung im Wald für mich sachlich sehr in Ordnung und ein Gewinn gewesen ist – es war genug.

 

Ich übersiedle nach Charlotteville

Der Geräuschpegel in meiner Herberge in Bon Accord ist unerträglich geworden. Am Nachbargrundstück hat es eine Party gegeben, die Fenster und andere Bauteile im „Candle ...
Erzittern har lassen. Natürlich wieder diese stupide Musik mit schwerem Schlagzeug und weinerlichem Sprechgesang. Das hat mir nicht geschmeckt.

Ich trenne mich von meinen entzückenden beiden Kokosnusswasser-Verkäufern:


Auch die Milfort-Festung kann mich nicht festhalten:

 

 


Ich klebe nicht an Bon Accord wie ein weißer Rinder-Ibis an seiner Kuh:

Nun zirpt mir nachts ein Insekt was vor, meinem Handy-Ladegerät nicht unähnlich. Morgens kräht mir der Hahn beim Fenster herein. Tagsüber singt die Nady, es könnte auch die Kate sein, jedenfalls eine der beiden Töchter meines Hausherrn. Er heißt übrigens Hamit.
Hier sorgt er für Sauberkeit in meiner Küche.

Sein Haus steht an einer Anhöhe. Der Weg führt vorbei an der Polizei, bei der Bücherei links hinauf, dann rechts und wieder links, am Gemeindesaal vorbei und dann noch ein paar Schritte - ein wenig am Rand des Zentrums von Charlotteville.

 

 

 

 

 

 

 

Charlotteville ist ein kleines, malerisches Fischerdorf im äußersten Nordosten der Insel an der Man O’ War Bay gelegen. Eine zweite, direkte nördlich angrenzende Bucht, die Pirates Bay, ist ein ehemaliger Rückzugsort von Seeräubern und heute beliebtes Schnorchelrevier. (Aus Wikipedia zitiert).

Emancipation


So nennen die Menschen in der Karibik das Ende der Sklaverei. Gefeiert wird das in Trinidad und Tobago an jedem 1. August.


Am Weg zur Schnorchelbucht wechsle ich mit einer farbigen Frau ein paar Worte. Ich wünsche einen schönen Festtag und beglückwünsche sie und uns zur Emanzipation. Ich spreche davon, dass die Europäer unter sich damals auch recht rigiden Umgang hatten. Ich denke dabei an die Leibeigenschaft. Ja, es habe einen Wandel in der Empfindung der Menschen gegeben, sagt die schwarze Frau.


Mit Emanzipation war in der Antike das feierliche Handauflegen gemeint, mit der einem erwachsen gewordener Sohn oder einem Sklaven die Eigenständigkeit anerkannt wurde. In der frühen Neuzeit beginnt der Begriff Emanzipation sich auszuweiten: Einzelne vermögen sich bevormundenden Strukturen zu entziehen. In der Aufklärung wird eine allgemeine gesellschaftliche Emanzipation angestrebt. (Aus Wikipedia, frei zitiert).

Das geistige Klima der Aufklärung, scheint mir, hat der Sklaverei den Boden entzogen. Obgleich die Franzosen in diesem Geiste mal ordentlich Revolution gemacht haben, sind sie bei der Emanzipation Schlusslicht gewesen. Ein George Fitzhugh hatte noch 1854 ein einem Buch veröffentlicht: „Einige Menschen sind mit einem Sattel auf dem Rücken geboren, und andere sind gestiefelt und gespornt, um diese zu reiten. Und es tut ihnen gut!“

„One one coco full basket“, war das Motto des diesjährigen „Heritage Festivals“ auf Tobago, zu deren Eröffnung ich zurecht gekommen war. Ich habe den Eindruck, dass es hier viele Kräfte gibt, die die Eigenverantwortlichkeit bewusst aufgreifen und ihre Mitmenschen dazu ermuntern. Schritt für Schritt. One one coco ... Das Land hier ist so gesegnet, was das Klima betrifft. Es gibt ebene Flächen, die die landwirtschaftliche Nutzung leicht machen. Die Lebensbedingungen, die die Natur in der Karibik den Menschen bietet, sind besser als in vielen Teilen Afrikas. Das weiß man hier wohl auch. Die Sicht der oben zitierten Frau hat was Versöhnliches, Verzeihendes – das macht Energie frei für die Gegenwart. Es hat sich gut angehört für mich.

In der Psychologie versteht man mit Emanzipation das Loslösen des Heranwachsenden von elterlichen Normen und Zielvorstellungen, sowie der finanziellen Abhängigkeit von den Eltern. Wer als Erwachsener den Eltern immer noch alle Schuld zuweist für Unfreiheit, Bevormundung und jeglichen Kummer in Kindheit und Jugend, hat es schwer. Jeder hat Chancen zum Emanzipieren. Es gilt sie zu erkennen, sie zu ergreifen und zu verzeihen, was andere dir angetan haben.


Mit Gedanken an meine Kindheit, meine Emanzipation, an die meiner Kinder und deren Kinder wandere ich weiter, Schritt für Schritt die Stufen zur Piratenbucht hinunter, schaue den Wellen zu, schwebe über den Korallen, zwischen den Fischen und kehre Schritt für Schritt wieder heim, an diesem 1. August.

 

Als Volontär bei den Fischern in der Piraten-Bucht

Ein Fischer bringt das eine Ende seines hunderte Meter langen Fangnetzes ans Ufer. Es will ans Land gezogen werden. Das andere Ende kommt auf der anderen Seite der Bucht an Land. Nach und nach ziehen alle Badegäste an beiden Enden. Eine Frau verteilt schraubkappenweise Sprit an alle, die da an einem Strang ziehen. Wir haben großen Spaß daran.

 

 

Die Ausbeute erscheint mir mager: Zwei Eimer kleiner Fischchen, ein paar größere für die Bratpfanne. Noch ich nichts kann ich darüber berichten, wie so ein Fisch auf meinen Teller seine Erfüllung gefunden hat.

 

Schnorcheln in der Piraten-Bucht

Die Piratenbucht habe ich vorgestern, am Samstag, erschnorchelt. Ich schnorchle entspannt so vor mich hin, nichts zu suchen war mein Sinn. Erst zu den Inselfelsen rechts, später zu jenen links. Ich befinde mich inmitten von ganz kleinen Fischen, total „umschwärmt“. Wie werden die aussehen, wenn einmal groß sind - sollten ihnen das seltene Glück beschieden sein, nicht vorher von den Größeren aufgefressen worden zu sein? Oder sind die e schon erwachsen? Fast scheint es mir so. Denn die Großen sehen alle ganz anders aus. Viele sind durchscheinend ultramarineblau, manche gehen schon mehr ins Violette. Auch Weiße kommen hervor. Dann die Dunkelbraunen mit dem gelben Schwanz, Zebragestreifte, Schwarz-Gelb-Gestreifte. Sehr schön empfinde ich die in satten Herbstfarben gescheckt erscheinenden, handtellergroßen Fische. Sie stoßen alle eifrig an die mit Korallen bewachsenen Steine, nuckeln kurz daran und schon geht’s weiter zum nächsten Stein. Sie sind nicht scheu, zum Greifen nah. Doch wenn ich versuche, nach einem zu haschen, bin ich doch immer der Langsamere.

 

 

 

 

 

 

 

In der Piratenbucht hat eines Tages meine Kamera zu streiken begonnen. Hier noch die letzten Bilder von lebenden Pelikanen. Ich habe sie unter Lebensgefahr (für mich) im Wasser schwimmend (ich schwimmend) mit dem Unterwassergehäuse ober Wasser fotografiert. Ich bitte das bei der Betrachtung der ansonst schwach erscheinenden Bilder in Betracht zu ziehen und zu würdigen.

 

 

 

Wasser, Wellen, Sand und Strömungen am Strand

Wenn ich das Wasser in der Sandbucht vom Land aus betrachte, zeigt sich mir eine sanfte Dünung. Im flachen Strand brechen die Wellen zu Schaumrollen. Der Sandstrand fällt unterschiedlich steil ins Wasser. Flachere, tiefere „Buchten“, ein paar Meter breit, wechseln mit ein wenig steileren Abschnitten. Das bringt die ankommenden Wellen in eine seitliche Bewegung. Das Wasser rinnt von den Bergen in die Buchten und strömt dann von dort geballt ins Meer zurück. Wenn, was meist der Fall ist, genau in diesem Augenblick die nächste Welle kommt, dann wird sie von diesem Wasserstrom stark eingebremst. Sie schwappt hauptsächlich auf die Hügel – und das Spiel geht so weiter. Manchmal kommt dieser Rhythmus aus dem Tritt und ich erfreue mich daran, dass eine große Welle ungehindert in die Bucht herein strömen kann. Dann werden meine Füße umspült, denn da sitze ich. Stundenlang.

Wie ich das beobachtet habe, war die Kamera schon funktionsunfähig. Ich muss es des Lesers, der Leserin Vorstellungskraft überlassen, aus meinen Zeilen zu ersehen, was ich erspürt habe. Mein Rat: Herkommen und selber anschauen.

Das ist am Strand direkt vor Charlotteville, doch was die Wasserspiele betrifft, ähneln sie jenen in der Pirates-Bucht.

 

„SAY NO TO DRUG“

ist mit weiß gestrichenen Steinen ganz groß in den Hang betoniert. An dessen Fuß schließt der Fußballplatz an.


Die Jugend hier wird nicht nur ermahnt, sie bekommt auch Alternativen angeboten. Im Spitzensport (auch eine Droge?) steht T&T ganz gut da. Es ist als bisher kleinstes Land in die Vorrunde einer Fußballweltmeisterschaft gekommen. Das war 2005 in Deutschland. Der Fußball hat bei der hiesigen Jugend gewaltig gewonnen an Ansehen. Auch gibt es immer wieder olympische Medaillen für Läufer. Man sieht viele Jogger hier, sowie Radfahrgeschwader.

Am Sportplatz in Charlotteville tut sich immer irgendwas. Er steht anscheinend allen offen, die da ein wenig herum dribbeln wollen. Gleich daneben ist die Gemeindebücherei, wo Hunger nach Lebenssinn über den Kopf gestillt werden kann. Ein schöner Gemeindesaal der Siebenten-Tag-Adventisten mit stets bereiter Schlagzeuganlage lädt zu Kreativität und eigenem künstlerischen Tun ein. Ich habe freilich wenig Einblick, wie diese Angebote angenommen werden.

 

Eine sonderbare Droge begegnet mir tagtäglich: Es ist die Beschallung durch Musik.

Ihr entgehe ich schwer. Hier im einsamen Charlotteville gibt es 150 Meter entfernt einen Bewohner, dem es gefällt, so zwei Stunden täglich mal seine Umgebung mit Musik zu versorgen. Niemanden scheint das zu stören.

Auf der Fahrt im Bus oder im Sammeltaxi tönt laute Musik. Das war schon in St. Lucia so. Einmal habe ich mitbekommen, dass eine Frau mit Baby den Fahrer gebeten hat, leiser zu drehen. Niemand beklagt sich, wenn die Tonanlage kurz mal schweigt – was leider selten vorkommt. Warum tun die Fahrer das? Ich trau mich nicht, einem so musizierenden Fahrer das zu fragen. Ganz wenige nur haben sanftere Musik – da trau ich mich dann schon, mich dafür zu bedanken.

Musik in jedem Lokal, wo es Tische und Stühle gibt. Entweder aus der Tonanlage oder aus dem Fernseher. Manchmal läuft beides – am Fernseher das Bild, aus der Beschallungsanlage ein nicht zum Bild gehörender Ton.

In zeitlich kurzem Abstand ziehen Pkw’s durch die Straßen, die Kraft ihrer Stereoanlage vorführend, dass die Türen in den Häusern zittern.

Auch wenn ich von ihr nicht immer wieder zwangsbeschallt würde, könnte mich diese Musik nicht beglücken. Es ist stets dieses stupide durchpumpern eines elektronisch gesteuerten Schlagzeuges, dazu meist eine weinerliche Stimme im monotonen Sprechgesang oder eine bis mehrere wild schreiende Stimmen.

Hohe Lautstärken sind allerorten angesagt. Da gibt es die vielen, offenbar sehr beliebten Warneinrichtungen. In Port of Spain hat am Abend so alle 10 Minuten was aufgeheult, dann geschrillt, gejault, gepiept, tatütatü und dann alles von vorne, ein paar mal.

Sehr laut sind freilich auch die Steelpan-Spieler. Aber hier kann ich wählen, ob ich sie mir anhöre oder nicht. Außerdem stehen da an der Schallquelle Menschen, Menschen aus Fleisch und Blut, mit Botschaften für genau jenes Publikum, das ihnen gerade zuhört. Das gibt eine Kommunikation mit einem Hin und Her. Elektronische Geräuschquellen spüren nichts, wie das Publikum reagiert, was es fühlt. Das ist immer nur eine einseitige Kundgebung - und aus. Das mit den Vibratoren mag eine ähnliche Sucht sein, zwar jederzeit verfügbar, sofern eine Batterie drin ist, hat Frau mir anvertraut. Aber ein Bezug nehmendes, herzerfrischendes SMS am nächsten Morgen kommt von so einem Gerät nicht.

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