Vorsicht – „Übungstörn“

Oder "Der Unskipper"

Von einem merkwürdigen Törn im MM

 

Hallo Klaus-Peter!

Ich schätze und lobe sehr deine Leistung als Vermittler von Segel-Theorie im Allgemeinen und deine Flexibilität und Großzügigkeit hinsichtlich meiner spezifischen Wünsche im Besonderen. Vor deiner Arbeit bei der Herstellung der FB2-Skripten habe ich echt Respekt. Ich stehe daher recht positiv zu deiner Einladung zu Vorbereitung auf FB4-Weihen.

„Du kannst das vorher nie sagen,“ hat mich ein erfahrener Skipper-Freund getröstet, „am Wasser kann alles ganz anders sein.“

In meinen Augen bist du am Wasser, auf Lisa’s Kat, eine einzige Katastrophe gewesen. Kein professioneller Skipper würde sich je so aufführen wie ich dich erlebt habe. Es begann mit ganz trivialen Unhöflichkeiten, mit Kasernenton-Auftritten deinerseits. Ein wirklicher Skipper – ich meine da zum Beispiel so einen von den professionellen, die man sich mieten kann (du hast dich ja auch bezahlen lassen) – hat zwar gleiche Kompetenz in der Technik wie du, doch er benimmt sich besser.

Die Erfahrung mit dir am Schiff hat mich nachdenken lassen über das breite Band an Motivati­onen eines Freizeit-Skippers. Dich zähle ich zu jenen Skippern, die an Bord die Möglichkeit aufgreifen, eine soziale Struktur zu installieren, die ihnen viel bedeutet. Denn ihr Platz ist die Spitze einer streng gestalteten und ebenso streng handhabbaren Hierarchie. In seiner Autorität und seinem schlechten Benehmen (im „land“läufigen Sinne) stützt ihn ein vorhandenes Regelwerk und auf einiges, was unter dem Titel Seemannschaft dazugeflunkert wird. Eine solche Struktur mit solch begehrter Position ist in unserer Zivilgesellschaft an Land nur für wenige Menschen zu bekommen. Wer sich an Land so benimmt wie mancher Skipper deines Schlags auf See - so wie ich dich jedenfalls erlabt habe -, hätte mit großen Schwierigkeiten zu rechnen. Er würde in der Regel scheitern. Am Schiff geht’s.

Ich finde es genial, dass es Segelschiffe gibt, wo solche Bedürfnisse gelebt werden können. Offenbar finden sich immer wieder genug Menschen, die sich auch an anderer Stelle der Hierarchie wohlfühlen. Man gehört dazu, ist sozialisiert. Da werden schwere Sprüche geklopft, was nicht alles schon vorgekommen ist, wie deppert die anderen sind und überhaupt . . . Dann gibt es dieses kleine Repertoire von stehenden Phrasen, wie das „Pipifein“ über „hin und her und her und hin“ bis zum „Geimpften das (mehrmals täglich) aufgeht“. Wie ich deine G’schichtln und Phrasen dann zum vierten mal höre, frage ich mich, warum tut er das? Es ver­tieft sich meine Erkenntnis: Ein Segen, dass es Segelschiffe gibt, wo das ausgelebt werden kann. Wie viel Unfriede mag uns dadurch an Land erspart bleiben! Unangenehm bloß, wenn ich, wie gewesen, selbst auf so ein Schiff gerate.

Und noch was Schönes bietet so ein Segelboot dem Skipper und seinen Trabanten: Eine treffli­che Bühne zur Selbstinszenierung! Dass ich dir deine Auftritte ein wenig versaut habe – ich blieb im Zuschauerraum, ohne dir zu applaudieren – hat mich vermutlich einen Großteil deiner zu Beginn noch vorhanden gewesenen Gewogenheit gekostet. Die Bernadette, meine Freundin, hat das dümmliche Spiel nicht ausgehalten und ist den Vorführungen tunlichst fern geblieben.

Ich hab mich ein wenig gerächt und dir den schief angehängten Katamaran vorgehalten – Pfiffe aus dem Zuschauerraum sind bei Schauspielern unbeliebt.

Ist dir eigentlich schon klar geworden, warum die Ablenkungstabelle, die du uns mit dem GPS machen ließest, manövriert unter deiner höchst aufmerksamen Leitung und Anweisung, nicht gelingen konnte?

Hast du dich eigentlich jemals in Pädagogik gebildet, oder mit Gruppenarbeit, Menschenfüh­rung und dergleichen tiefer gehend beschäftigt? Es würde dir nicht schaden. Hier ein paar Fallbeispiele für schwere Defizite, die mir unangenehm aufgefallen sind:

Du teilst mich ein als Rudergänger, gibst dann den Auftrag, ich solle zu dem Zeitpunkt wenden, der es uns erlaubt, nach der Wende an der Insel in luv vorbei zu kommen. Später wirst du ungeduldig, meinst der Zeitpunkt sei längst gekommen, ergreifst dann wortlos und ohne drohende Gefahr das Ruder und fährst die Wende. Ein guter Pädagoge tut das nicht. Es tut rein pädagogisch nichts zur Sache, (das mag eher ein Fall ganz normaler Fehleinschätzung einer unwichtigen Situation gewesen sein) dass du die Kurve dann eh nicht gekriegt hast. Aber es war recht nett für mich. Bei so einem Katamaran ist die Beschickung Wind doch stärker als man vom Einrumpfigen gewohnt ist..

Zu Beginn der Nachtfahrt: Du triffst die Einteilung: Ich am Ruder, du der Navigator. Und dann gehst du vom Ruder gar nicht mehr weg und fragst mich die Leuchtfeuer ab.

Ohne Not ins Ruder zu greifen und dann die Pier mit dem Bug rammen, erst mir die Schuld geben, dann dem Heribert – deine pädagogische Glanzleistung am Morgen in Vodice.

Pädagogische Glanzleistung war ja das ganze Anlege-Übungsmanöver. Zuerst hattest du keine Anstalten gemacht, solche essentiellen Manöver mit uns zu üben. Dazu war dir der Katamaran deines Freundes wohl zu schade. Erst nach meinem Hinweis, dass ich ein Skippertraining gebucht habe und meiner strengen Intervention hast du dich dann doch eingelas­sen: Erst geht’s nicht in Vodice, weil es nicht geht. Dann geht’s doch, und das ganz plötz­lich. Das Schiff ist schon mitten im Hafen, um auszulaufen, als du Kommando zum Anlege­manöver gibst. Du stellst dich seitlich hinter mich, ich steh am Ruder. Du: „Dreh noch ein Ringerl, bis die (an Deck) alles klar haben.“ 5 Sekunden später: „Nein, geht schon, kein Ringerl mehr“. Ich beginne das Anlegemanöver. Dann dein Eingriff ins Ruder mit dem an­schließenden Bums. Schließlich Nachbesprechung. Du: „Der erste Fehler war: das Manöver war schlecht vorbereitet.“ (!) Hattest du wirklich vergessen, dass du das Manöver überra­schend knapp verkündet und den zeitlichen Beginn des eigentlichen Anlegens auch du selbst angeordnet hast? Oder hast du gemeint „Es merkt eh keiner, wenn ich bloß ordentlich pol­tere“? Wie auch immer – pädagogisch ein schwacher Auftritt. Nicht das faule Ei wert, um damit nach dir zu werfen.

Es war schlicht eine Fehlinvestition, mich auf eine Fahrt mit dir einzulassen. Deine Leistung war wirklich sehr schwach. Schade um das Geld. Das ärgert mich. Deine großzügige Abwick­lung meiner Theorie-Sonderwünsche mag das nur wenig aufzuwiegen. Blamiert hab ich mich vor meiner Freundin Bernadette. Hatte ich ihr doch zugeredet mitzukommen. „Der macht sich auf unsere Kosten eine Urlaubswoche.“ Ihren vollständigen Kommen­tar wirst du nicht erfahren, denn auf rechtskundigen Rat hin habe ich ihn ersatzlos weggelassen.

Ich schreibe das zu einem Zeitpunkt wo ich erste Erfahrungen als Skipper mit österreichisch-staatlichem Führerschein hinter mir habe. In einer Woche mit den 8 Männern an Bord, in einer zweiten Woche mit 2 Männern und 5 Frauen habe ich meine Vorstellungen, wie ein guter Skipper tut, aus meiner Sicht vortrefflich realisieren können. Es hat uns allen sehr gut getan, den MitseglerInnen genau so wie mir. Es geht auch anders. Ich will nicht auf Details eingehen, denn ich rechne damit, dass du gar nicht wüsstest, wovon ich redete.

Von dem Skipper beim Schulungstörn der Wiener Segelschule habe ich für meinen Führungs­stil übrigens sehr viel lernen können. Das hat mein schiefes Bild vom üblichen Freizeit-Skipper wieder ein wenig gerade gerückt. Auch bei dir habe ich Wertvolles gelernt: Ich weiß nun noch besser, was ich ablehne.

Jeder Skipper hat die Crew, die er verdient – das könnte eine Erklärung sein, warum du mich an Bord hattest.

Es wird interessant sein, dich an Land wieder zu treffen – an Bord, ohne Seenot, lieber nicht.

Beste Grüße und schöne Zeit zu Wasser und zu Land!

Volkmar

 

Die Namen sind frei erfunden, nicht die Erlebnisse. Es ist durchaus möglich, dass Ähnliches immer wieder mal vorkommt.

Dem Klaus-Peter verdanke ich, dass ich nun besser weiß, wie ich nicht skippern möchte. Danke, Klaus-Peter!

 

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