Venezuela
von 23. August bis 09. September 2009

Stromausfall ist nicht die einzige Huerde im Internetcafe. Es sind auch die fehlenden Umlaute, kein scharfes „s“ und die veraenderte Anordnung mancher Zeichen. Einen Teil dieses Berichtes habe ich in venezolanischen Internetcafes geschrieben. Ich habe diese Schreibweise hier beibehalten. Das gibt dir, Leser/Leserin, einen Hauch mehr von meiner Befindlichkeit hier. Es mag vielleicht ein wenig zu vermitteln, mit welchen Kleinigkeiten man fern der gewohnten Umgebung zu kämpfen hat. Und schliesslich die abgegriffenen Tasten, wie in allen Internetcafes. Meinen eigenen Laptop habe ich aus Vorsicht vor Diebstahl nicht mitgenommen nach Venezuela.

Mein Fotoapparat hat seinen Dienst sehr aufgegeben – Korrosion. Es gibt daher kaum Bilder von dieser Reise in Venezuela. Sorry.

Die Nacht in der Kabine ist kurz. Um 5 Uhr verlassen wir in Port of Spain/Trinidad die Faehre. Suren bringt mich die 20 km in die Peake-Marina nach Chaguaramas. Da komme ich zum Fruehstueck bei Gerda und Bernd auf der SY OREXIS zurecht. Es ist geplant, mit Bernd gemeinsam im Oktober/November auf der OREXIS nach Panama segeln. Weil ich bis zu unserer Abfahrt die maximal erlaubten 3 Monate auf Trinidad & Tobago ueberschreiten wuerde, muss ich kurz mal ausreisen. Ich habe mich fuer 2 Wochen Venezuela entschieden – ich hätte 8 Wochen bleiben sollen, wie sich spaeter zeigen soll. Zum einen, weil ich mich in Venezuela recht wohl gefuehlt habe, es ist ausserdem sehr billig, dort zu leben. Uns schliesslich ist das mit der Orexis nach Panama doch nichts geworden. Doch darueber spaeter mehr.

Die Fähre nach Venezuela faehrt jeden Mittwoch von „Pier 1“ gleich hier in der Naehe weg.

Dort hole ich mir jetzt gleich mal eine Fahrkarte. Damit erscheine ich im Immigration Office. Dann 20 Minuten zu Fuß in der Hitze zurueck ins Marina-Buero. Dort wird die neue Crewliste geschrieben. Damit wieder zur Immigration. Das hätten wir.

Dann suche ich das Schiff von Guenther aus Muenchen auf. Ich habe dort schon zweimal nachgesehen, ob seine Batterien noch geladen sind, denn sein Ladegerät ist ausgebaut zur Reparatur. Nun darf ich 2 Naechte dort schlafen. Es ist sehr heiß im Schiff. Ich ziehe es vor, an Deck zu schlafen. Zum Schutz vor den Muecken verstecke ich mich in meinem Seidenschlafsack. Nach einer halben Stunde erwache ich schweissgebadet. Raus aus dem Sack! Die Muecken freuen sich. Meine Freude ist getruebt und die Nachtruhe gestoert.


Früh am Morgen des Mittwochs, dem 26., stehe ich an der "Pier 1". Das Einchecken gestaltet sich wieder sehr kompliziert. Ich nehme bloss wahr, was ist. Wundern oder gar aergern ist nicht zielfuehrend. Irgendwann sind wir am Schiff und irgendwann legt es ab.

Die Ueberfahrt dauert nur 3 Stunden. 2 weitere Stunden drehen wir vor Port Güiria im Kreis. Dann taucht ein Schiff der Kuestenwache auf. Es legt ziemlich ruppig und unprofessionell an. Dann steigen ein Arzt und zwei andere wichtige Menschen auf die Faehre ueber. Trotz des sehr grossen, gefährlichen Schrittes zum vom Polizeiboot auf die Faehre tragen sie keine Schwimmwesten. Aber: Sie haben Masken vor Mund und Nase, wohl wegen der hochgefährlichen Schweinegrippe.

Ich werde gefragt ob ich Kopfweh habe. Weil ich verneine, darf ich mich den beiden weiteren Kontrollen zum Einreisen unterziehen.

Im Sammeltaxi fahren wir nach Carupano. Unterwegs gibt es eine Polizeikontrolle. Drei Uniformierte mit grossen Maschinenpistolen kramen in unserem Gepaeck herum. Besonderer Aufmerksamkeit darf sich der US-Buerger unter uns erfreuen. Man will alles sehen vom Inhalt seines Gepaeckes. Daher muss er mit auf die Wachstube.

In Carupano angekommen steigt Adalbert aus einem anderen Taxi. Wir kennen uns schon von der Faehre und beschliessen nun, gemeinsam ein Hotel zu finden. Nach einigen Anlaeufen landen wir in der Posada Aguaria - sie heisst aber inzwischen anders.

Adalbert ist sehr muede. Er legt sich gleich schlafen. Ich wage mich, obwohl schon dunkel, alleine auf die Strasse, um nach einem Imbiss Ausschau zu halten. Es geht alles gut. Der Schlafraum wird von einem Klimageraet gekuehlt. Es ist natuerlich sehr laut – doch mit Stoepseln in den Ohren kann ich schlafen.

Das Hotel ist recht einfach. Mein besonderes Augenmerk hat wieder einmal das WC auf sich gezogen: Die Schale ist ein Tiefspueler der grundsätzlich angenehmen Art. Wie in Griechenland - keine Brille, kein Deckel. Am Spuelkasten fehlt der Knopf zum Spuelen. Ich hebe den Deckel ab, greife beherzt in die Tiefe, finde die Gummilippe, hebe sie hoch - und schon kommt das Wasser erfolgreich ins Fliessen.

Am naechsten Morgen fruehstuecke ich gemeinsam mit Adalbert. Er ist in Polen geboren, hat eine deutschsprechende Schweizerin geheiratet und lebt nun in Kanada. Er ist Lehrer fuer Mathematik und interessiert sich fuer fernoestliche Geschichte. "Ich arbeite auf englisch, denke auf deutsch und bete polnisch", berichtet er mir von seinem leichten Umgang mit seiner Multinationalitaet. Adalbert will heim. Er verspricht, mir was von seinen Bildern. Leider hat er das vergessen.

Den Adalbert habe ich noch zum Taxi-Stand gebracht. Er hat die Nase voll von Venezuela und will nichts wie nach Caracas zum Flughafen und heimfliegen. Ich bummle durch die Stadt CARUPANO - erinnert mich sehr an Praia auf Sal/Cap Verde: alles ziemlich verwahrlost und verlottert. Aber viel Leben auf den Strassen. An einem Stand lasse ich mir eine Teigtasche, gefuellt mit Huhn geben. Dann kehre ich in meine Herberge zurueck. Ich lege mich hin und gleite ganz schnell in jenen Halbschlaf, in dem man alles wahrnimmt, was rundherum Geraeusche macht, und zugleich kommen Traumbilder hoch: Viele Menschen sind da. Sie sind sehr betriebsam. Es bewegt sich viel. Ich kann mir bewusst dabei zuschauen. Ich erkenne keinen Zusammenhang mit dem, was sich in den Tagen zuvor los gewesen ist. Doch ich bin sicher, da will sich was ordnen in mir, was es Neues einzuordnen gibt in meinem Inneren, nach dem, was in den letzten Tagen auf mich eingewirkt hat. Ich schaue dem Treiben wohlwollend zu. Wenn ich mich ganz wach mache - husch, ist alles verschwunden. Was bleibt, ist ein blasses Gefuehl an das Getrauemte.

In der Provinz Sucre

Nach 2 Naechten in Carupano fahre ich im Sammeltaxi ins 120 km westlich gelegene Cumana. Es ist die Hauptstadt der Provinz Sucre. Ich habe vor, in der Posada Bubulina's abzusteigen, weil dort die Managerin deutsch spricht. Sie hat leider keinen Platz frei und schickt mich um die Ecke in die Casa Cazela. Dort bleibe ich 2 Naechte. Tagsueber wandle ich im Zentrum der Stadt herum. Es ist hier, im alten Stadtzentrum verhaeltnismaessig sauber, wovon ich mich angenehm beruehren lasse. Ich sitze lange im Park der Placa Bolivar und schaue den Menschen zu.

Und die Menschen schauen mir zu. Viel Spass haben die Leute von einem Restaurant mit mir und meinen spaerlichen Kenntnissen des Spanischen. Schliesslich bekomme ich den gewuenschten Fisch mit Reis und Gemuese. Und ich geniesse die sehr angenehme Zuwendung des gesamten Personals.

Am Samstag bekomme ich noch ein Gespraech mit der deutschsprechenden Eigentuemerin der Poasada Bubulina. Sie ist in Ungarn geboren, in Oesterreich zur Schule gegangen. In Venezuela war sie bei BASF so ziemlich die Chefin. Die haben dann abgebaut. Sie hat sich selbst auch abgebaut und nach 2 Jahren eine Herberge aufgebaut, die in der Sauberkeit, ansprechenden Innenarchitektur und Funktion jeden europaeischen Vergleich standhaelt.

Von ihr bekomme ich sehr wertvolle Informationen ueber die Provinz Sucre, dazu Fotokopien von Plaenen von Cumana und von Sucre. Im Stadtplan von Cumana zeichnet sie mir alle Stadtteile ein, die ich lieber nicht besuchen sollte, weil gefaehrlich. Sie schenkt mir eine halbe Stunde ihrer Zeit: Rosa Marothy, bubulinas10@hotmail.com. Danke!

 

Santa Fe – die Stadt mit Strand mitten im Nationalpark

Am Sonntag, 30. August suche ich den Busterminal auf. Ich fahre nach Santa Fe. Hier steige ich direkt am Strand bei Jose Vivos ab. Seine Posada Sierra Inn grenzt an den Sandstrand. 10 m weiter ist das Meer. Ich habe wieder mal einen Platz im Paradies gefunden! Die Unterkunft ist sauber. Es hat in meinem Raum dennoch leicht den Geruch einer oeffentlichen Beduefnisanstalt. Jose heisst mich sehr herzlich willkommen. Er ist an die 80 Jahre und hat alles fest im Griff. Am Abend spielt er am Computer jenes Kartenspiel, das ich auf dem meinen geloescht habe, weil ich damit zu viele Stunden verbracht habe - "und hinterher ist man genau so gescheit wie vorher", wie mein Bruder richtig sagt. Ich schaue dem Jose ueber die Schulter, gebe ihm einen Tipp. Nach drei weiteren Zuegen hat er prompt das Spiel verloren. Ich erklaere mich zum Schuldigen - wir haben unseren Spass daran.

Und wer kommt da auf einmal daher? Adalbert, der polnisch-deutsche Mathematikprofessor aus Toronto! Wir freuen uns beide ueber dieses unerwartete Wiedersehen. Auch er ist Gast bei Jose. Er wohnt im Raum genau oberhalb von mir. Ist das ein Zufall!

Adalbert ist nun schon 2 Monate unterwegs. Es ist anstraengend, immer schauen zu muessen, dass einem niemand was wegnimmt. Und wie hier die Leute einfach alles wegwerfen, er sei schon richtig allergisch. Doch die Vogelhoehle bei Santa Maria sei sehenswert. Die sollte ich mir unbedingt anschauen, meint er.

Gestern Abend froehliche Gesellschaft bei Fisch, Wein und zuletzt noch Salsa. Ich bekomme eine Lesson von Annika, der blonden Schwedin aus Brasilien. Nach 20 Minuten hab ich's: 1-2-3-kick, dann mit dem Kick-Fuss beginnend wieder 1-2-3-kick. Kick heisst auf die Ferse aufsetzen. Im Kopf habe ich es. Jetzt muss ich es bloss noch in die Fuesse bringen. Freundinnen, lernt Salsa! Das will ich tanzen mit euch, wenn ich in 2 oder 3 Jahren wieder daheim bin!

 

Bergwanderung bei Santa Fe

Angezettelt hat es der Anibal. Er gibt vor, morgen in den Bergen eine Wanderung zu machen. Ob ich mitkommen wolle? Nichts lieber als das! Morgen ist alles anders. Anibal muss dringend nach Caracas. Er habe den Sergio bereits instruiert. Der wird mich führen. Er könne auch gut englisch.

Genau das kann Sergio gar nicht. Es wird für mich ein Intensivkurs in Spanisch. Schadet ja auch nicht.

Mit dem Bus fahren wir auf etwa 600 Höhenmeter. Wir genießen einen weiten Blick, hinunter auf Santa Fe und hinaus auf die Inseln des Naturparkes. Wir wandern zu Fuß weiter, an einem alten Kirchlein und kleinen Häusern vorbei. Ich kann sehen, wie hier die Menschen – wirklich sehr einfach und bescheiden - leben, wie sie ihre Gärten haben, für alles was die Familie braucht: Bananen, Mango, Avocado, Kaukaubohnen, Kaffeebohnen, Papaya, Guaven und wohl auch Hanf.

Wir steigen etwas ab und kommen zu einem Wasserfall. Aus der Höhe eines achtstöckigen Hauses stürzt eine Fontäne frei herab. Wir baden im Tümpel, lassen uns das Wasser auf den Rücken fallen und verweilen. Sergio liebt die Natur, er atmet tief die gute Luft ein.

 

Ich rücke dem Sergio sein Weltbild zurecht

Die Leute hier sind sehr fröhlich, erzählt er mir Sergio. Zum Wochenende werde immer gefeiert. Relaxen, entspannen sei hier sehr wichtig.

In sehr bescheidenen Verhältnissen leben und glücklich sein dabei – das scheint mir in der Tat, besser gesagt in der Nichttat, eine Tugend zu sein, die auch uns Europäern gut anstünde. Wir rennen lieber Tag und Nacht allen vermeintlichen, uns von der Werbung ins Hirn geschissenen Bedürfnissen nach. Mit dem damit erjagten Geld können wir dann in der Karibik Urlaub machen und relaxen. Das tun die Venezoelaner lieber gleich von vornherein. Manchmal möchte ich meinen, wir sind umso unglücklicher, je mehr wir im Überfluss leben.

Aber irgendwas gefällt mir nicht. Ich muss an meinen Schlafraum in der Posada denken. Das Mückengitter im Nassraum deckt die Löcher in der Wand nur zu zwei Drittel ab. Es ist um 3 cm zu niedrig. Irgendein fröhlicher Venezolaner hat das befestigt, ohne damit einer einzigen Mücke den Einflug zu verwehren in meinen Schlafraum, wo ich weniger fröhlich, mich nur mit Hilfe eines Ventilators der stechenden Insekten erwehren kann. Mit Stöpseln in den Ohren erwehre ich mich des Lärmes des Ventilators. Ich verstehe es nicht, wie man so was Sinnloses montiert. Torro, der diensthabende Mitarbeiter der Posada, relaxt den ganzen Tag im Sessel und zieht sich eine CD nach der anderen ein. Währenddessen verwittert ein Hundeköttel auf der großen Terrasse. Ein etwas frischeres Exkrement eines sehr großen Hundes weilt neben dem Weg in den Hof der Posada.

Ich muss an den österreichischen Segler Claus Gintner denken. Den haben glückliche Gangster beraubt. Als er sich dagegen gewehrt hat, haben sie ihm ganz entspannt eine Niere weggeschossen. Hätte ihn nicht eine Freundin nachts den Kopf zur Seite gedreht, wäre er an Erbrochenen verreckt. Die machen in den Spitälern der armen Leute keinen Nachtdienst, denn sie relaxen lieber und sind fröhlich!

Und ich sehe die Plastikflaschen kilometerlang neben der Autobahn in der Natur liegen.

Es reicht mir. „Wenn wir in Europa solche Straßenaufbrüche haben wie hier vor unseren Augen, dann reparieren wir das zuerst. Und dann relaxen wir“, versuche ich dem Sergio sein Weltbild zurechtzurücken.

Meine Tante ist wie eine Mutter zu mir, sagt Anibal. Dann verfinstert sich sein Gesicht. Und er persifliert seine Tante, wie sie ihn maßregelt.

Nun ist die Tante von Anibal wieder da. Bei ihr bestelle ich 2 Bier, eines für meinen Führer Sergio, eines für mich. Ohne mich anzusehen bequemt sich die Tante, mir die Flaschen hinzustellen. Beim Zahlen ist es ebenso. Anibal ist nach Caracas ausgewichen. Ich verstehe. Und dass der Onkel vor einiger Zeit sich abgesetzt hat, kann ich auch verstehen.

Das mangelhafte Fliegengitter, der Hundekot, die ganz schwer schleifende Tür, die fehlenden Mosaiksteine im Gemäuer – das alles kann ich hinnehmen, ohne zu leiden, ohne Verzicht auf Wohlgefühl. Doch wenn man mir zeigt, dass ich nicht willkommen bin, dann mag ich nicht länger bleiben.

 

Ich ziehe nach Santa Maria

Ich packe meine Sachen. Ich will nach Santa Maria, um am nächsten Tag die Vogelhöhle bei El Guacharos (sprich El Quatscharos) zu besuchen. Zuerst wollte mich der Taxifahrer bis in die Stadt Guacharos fahren. Doch dann bin ich der letzte Fahrgast und er findet für mich schon vorher, in dem kleinen Dorf Santa Maria, die Posada Jardin Tropical, Wirtshaus zum Tropengarten auf deutsch.

Jose spricht ein wenig englisch. Ich bekomme erst mal eine Tasse Kaffee, dann ein feines Schlafquartier. Es wird dämmrig. Aus dem hinteren Teil des Anwesens schimmern Lampen durchs tropische Grün. Leise Musik schmeichelt meinen Ohren, tiefes Saxophon, dazu sanfter Rhythmus. Das zieht mich an. „Darf ich nach da hinten gehen?“ „Ok, ok!“ Ich gehe durch einen kleinen grünen Dschungel, eine Brücklein, darunter ein kleiner Tümpel. Zwei Frösche konzertieren dazu. Da, rechts, zwei Avocado-Bäume. Luftwurzeln hängen aus den Ästen. Erst jetzt erkenne ich den wunderschönen Gastgarten, in den ich da geraten bin. Ich zolle dem Jose und seiner Frau Selina meinen großen Respekt. So was habe ich hier noch nie gesehen. Ich bin der einzige Gast. Jose weiß, welche Musik in welcher Lautstärke ich jetzt brauche. Ich bewege mich in der Musik. Das Abendessen wird gebracht. Ich bin schon wieder in einem Paradies!

Auf einmal sehe ich Bruno. Er steht zwei Tische entfernt von mir und tut so, als wäre er bloß zufällig mal vorbei gekommen. Ich habe schon mehr Knochen am Teller als Fleisch. Bruno ist zum richtigen Zeitpunkt gekommen – Instinkt der Tiere! Nun kommt er einen Tisch näher. Seine Augen kann ich nicht sehen, denn sie liegen im schwarzen Teil seines Felles. Aber ich spüre es, er schaut mir in die Augen. Ich tue so, als merke ich es nicht. Bruno setzt sich. Mir gilt seine ganze Aufmerksamkeit. Schließlich gebe ich auf – und werfe ihm den größeren Knochen hin. Und dann noch einen und noch einen. Einen Knochen lass ich am Teller zurück. Damit Jose nicht glaubt, ich habe Knochen an den Hund verfüttert. Das haben die Wirte nicht sehr gerne.

 

In der Vogelhöhle von El Guacharo

Es riecht nach Vogelkot. Über uns krächzen hunderte Guacharos, auf deutsch: Fettschwalme. Es sind keine Eulen, sondern die einzigen nachtaktiven früchtefressenden Vögel der Welt. Sie sitzen hier in 10 bis 40 m Höhe auf Felsvorsprüngen. Im Schein der Laternen kann man schemenhaft hin und wieder einen dieser Vögel erkennen, am besten dann, wenn sie kurz mal auffliegen, um ihren Platz zu wechseln. Dabei geben sie schmatzend-krächzende Laute von sich. Ich halte das für den hörbaren Teil ihrer Schall-Navigation.

Am Boden ist es nass und schlammig. Der Weg ist besucherfreundlich hergerichtet. Wo der Boden aus Sand, kleinen Steinen und lockerer Erde besteht, wachsen zarte grüne Pflanzen. An ihren bis zu kniehohen Stängeln sitzen ein bis drei Blattpaare. Mit ihrer Fähigkeit das spärliche Licht in selbst 300m Entfernung vom Eingang noch zu nützen, sind sie an ihrem Standort ziemlich konkurrenzlos. Nach etwa 300 m wird die Höhle immer niedriger. Schließlich müssen wir gebückt durch einen schmalen Spalt schlüpfen.

Dahinter weitet sich die Höhle wieder. Es gibt nun keine Eulen mehr und auch keine grünen Pflanzen. Die dünne Schlammschicht am nassen Boden bleibt. Unsere Aufmerksamkeit ist nun alleine auf die Tropfsteine gerichtet. Es gibt hier viel Voluminöses, Leiber von Elefanten, Flusspferden und Menschen ähnelnde Gebilde. Wir sehen einen Heiligen Antonius, mehrere Jungfrauen Marien, teils mit, teils ohne Kind. Dann gibt es wieder durchgehende Säulen und solche mit Absätzen dazwischen. Die Führerin spricht spanisch, sodass ich wenig mitbekomme von ihren Hinweisen. Wenn Gekicher und Gelächter ausbricht, dann blickt alles auf Gebilde, die entweder hängenden Brüsten, oder beeindruckend aufgerichteten Phallen sehr ähnlich sind.

Es heißt, Alexander von Humboldt habe 1799 diese Höhle neu entdeckt und wissenschaftlich beforscht. Aus Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Fettschwalm):
Humboldt notierte: „Der Guacharo hat die Größe unserer Hühner, die Kehle der Ziegenmelker und Procnias, die Gestalt der geierartigen Vögel mit Büscheln steifer Seide um den krummen Schnabel. (...) Sein Gefieder ist dunkel graublau, mit kleinen schwarzen Streifen und Tupfen; Kopf, Flügel und Schwanz zeigen große, weiße, herzförmige, schwarz gesäumte Flecken. Die Augen des Vogels können das Tageslicht nicht ertragen, sie sind blau und kleiner als bei den Ziegenmelkern. (...) Schwer macht man sich einen Begriff von dem Lärm, den tausende Vögel im dunklen Innern der Höhle machen (...) Erst nach mehreren fruchtlosen Versuchen gelang es Bonpland, zwei Guácharos zu schießen, die vom Fackelschein geblendet, uns nachflatterten. Damit fand ich Gelegenheit, den Vogel zu zeichnen, der bis dahin den Naturforschern ganz unbekannt gewesen war.“

Ich kann der Beschreibung des Aussehens des Fettschwalmes von von Humboldt nichts hinzufügen, denn außer irgendwelche Schatten, habe ich keinen der Vögel sehen können.

Noch einmal schlüpfen wir durch eine Engstelle. Bald darauf ist das Ende der Höhle erreicht. Wir sind etwa 1000 m ziemlich horizontal in den Berg gewandert. Ein Mädchen hat offensichtlich Angst. Der Vater bleibt stehen, hält sie eine zeitlang an der Hand. Sie scheint wieder zur Ruhe zu kommen.

Ich muss an Ronny, die Räuberstochter im Film denken. Da steigen auf einmal kleine Geister aus den Sümpfen und langen nach Ronny. Sie hat furchtbar Angst. Fast wird sie verschlungen. Da kommt der Vater, nimmt sie an der Hand und schreitet einfach durch die Schar der Geister – und husch, husch, schon sind die Gespenster weg.

 

Ein großes Öko-Projekt mit Büffel, Kindern, vielen Ideen und greifbaren Entwicklungen.

Die Bilder in diesem Abschnitt hat Kassandra Schlagitweit, Steyr, freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Das erklärt auch, weshalb auf einem der Bilder Büffel zu sehen sind, obwohl sich  m i r  keines der Tiere gezeigt hat.

Nach Guaraunos nahe El Pilar sollte ich fahren, hat man mir empfohlen. Da gebe es einen Deutschen mit Posada und Büffelfarm.

 


Klaus Müller, ein Schwabe, ist hier vor vielen Jahren Entwicklungshelfer gewesen. Er ist dann da geblieben, hat mit einer hiesigen Frau Familie gegründet. Mit Erfolg hat er versucht, „aus der Savanne wieder das zu machen, was sie einmal gewesen ist“, wie er sagt. Im Dorf Guaraunos hat er seine Posada. Hier sind Gruppen wie Einzelwanderer willkommen. In etwa zehn Häuschen können bis zu 40 Personen zugleich leben.
Er hat gerne Jugendgruppen da. Die bekommen was erzählt von Klaus.

Sie dürfen auch auf die Bäume klettern, sich die schönste Calabassa aussuchen. Die wird zwei gleiche Teile geschnitten. Der Inhalt ist Futter für die Fische. Die Schalen können geritzt werden. Das ergibt schöne Behälter, wie sie in diesem Teil der Welt sehr viel in Gebrauch sind.
Hier pflückt Klaus eine Frucht von einem seiner Bäume.


Klaus tut das, wie er mir sagt, um den jungen Menschen das Leben in natürlichen Kreisläufen wieder nahe zu bringen. Denn auf lange Sicht können wir nur davon leben, was uns die Sonne Tag für Tag schenkt, sind Klaus und ich uns einig.

 


Seine Gästehäuser hat er so gebaut, dass sie keiner Klimaanlagen bedürfen: festes Gemäuer, darüber eine völlig unabhängige Dachkonstruktion, kunstvoll gedeckt mit Palmenblättern.


Die Mückengitter hier sind perfekt dicht, die Brausen funktionieren die WC-Schalen spülen ordentlich – und die Menschen freuen sich über ihre Besucher. Das spürt der Gast schon von weitem.

Eugenio lädt mich ein, in die 10 km entfernte Büffel-Finka, die „Vuelta Larga“ – Breiter Weg – mitzukommen.

 


Er hat seinen Bruder und einen Freund dabei. Führen tut uns die Barbara, eine Tochter von Klaus.
Zu Fünft wandern wir 2 Stunden lang um einen großen Süßwassersee.


Klaus Müller hat vor vielen Jahren einen mächtigen Damm gebaut. Nicht nur die Büffel lieben feuchte Wiesen und das Wasser. Es gibt hier auch was zu fischen.

 

 


Wir sehen riesige „Kuhfladen“, tiefe Spuren von großen Paarhufern, aber nicht eines der etwa 800 Tiere.Die haben sich in ein Gebiet mit feuchteren Wiesen verzogen.

 

Es lohnt sich ein Urlaub in der Posada und die Mitarbeit an seinem ökologischen Projekt „Vuelta Larga“. Er stellt es auf seiner Website http://www.fundacionvueltalarga.com/vision.html ausführlich vor. Auch hier lohnt sich ein Besuch allemal.

Hier ein paar Sätze daraus zitiert:

Die Finca Vuelta Larga, Forschungsgebiet der gleichnamigen Stiftung existiert seit 1973 und ist auf der Halbinsel Paria (Ed. Sucre) im Nordosten Venezuelas aktiv.

  • 1498: Christopher Columbus betritt hier in der Pariaregion erstmals südamerikanisches Festland.
  • Heute: Einleitung eines Restaurationsprozesses („restauración y reencuentro“).

Venezuela befindet sich innerhalb des tropischen Gürtels und gehört deshalb zu den zehn Ländern mit der höchsten Artenvielfalt auf der Erde. Die vielfältige Flora und Fauna findet innerhalb von 43 Nationalparks letzte Rückzugsmöglichkeiten. Diese umfassen 15% der Landesfläche.
Unter aktiver Beteiligung unseres Teams der Finca Vuelta Larga (dt.: lange Wendung/Umkehr), gibt es in der Pariaregion inzwischen zwei neue Nationalparks:

  • Nationalpark Turuépano: Mangrovenwälder, Schutz der Seekühe
  • Nationalpark Península de Paria: Nebelwälder, endemische Arten

Da unsere Ländereien an den Nationalpark Turuépano anschließen, konnten wir sogenannte Wiederaufforstungsstreifen einrichten, die als Erweiterung des Parks dienen und einen Ausgangspunkt für die respektvolle Koexistenz zwischen der Natur und der Bevölkerung darstellen sollen.

  • Unsere Lösungsansätze ermöglichen:
  • das Leben auf unserer Erde in all seiner Vielfalt zu erhalten.
  • neue mögliche Formen unserer zukünftigen Lebensgestaltung (unter Einbindung modernster Technologien) zu entdecken bzw. zu entwickeln.

Wir wirtschaften mit erneuerbaren Energien und naturnahen Stoffkreisläufen, im Sinne einer ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltigen Nutzung der Ressourcen.
¡Venezuela, guardian de la diversidad biologica!

Am Abend erzählt mir Eugenio seine Geschichte:

Er lebt auf der Insel Margarita. Am 24. Juni dieses Jahres sind seine Frau, sein 2jähriges Söhnchen, seine Schwägerin und drei Freunde mit einem Motorboot von Margarita aus ostwärts zu einer 10 Seemeilen entfernten kleinen Insel weggefahren und dann nie wieder gesehen worden. Auf halber Strecke ist das Boot gesunken. 14 Stunden später sind 2 Freunde von Fischern gerettet worden. Die anderen 4 Menschen sind vermisst geblieben.

Eugenio sagt, dass er spürt, seine Frau und der Kleine sind am Leben. Vielleicht hat sie ihr Gedächtnis verloren, oder sie wird von Suchtgifthändlern oder Piraten festgehalten, um sie zu vermarkten. Nun sucht er sie, wo überall er sie nach seiner Einschätzung finden zu können meint: In allen Küstenorten der Insel Margarita und am nahen Festland hat er schon seine Suchzettel aufgehängt. Selbst auf den Inseln der Niederländischen Antillen ist er schon gewesen. Ich bitte ihn um ein paar Suchzettel, die ich in Trinidad anbringen werde.

Eugenio zeigt mir seine Pillen. Ehe er die hatte, habe er nur geweint. Ich höre ihm über eine Stunde zu, eine gute Stunde für ihn, wie er nachher meint. Ich gebe ihm keine Ratschläge, ja ich ermuntere ihn, zu suchen. Es kann ja wirklich sein, dass die Vermissten noch leben. Dem Eugenio tut es sicher gut, wenn er das Verschwinden seiner Liebsten auf diese Weise realisiert, aufarbeitet – wie immer die Suche ausgehen wird.

Am nächsten Tag muss ich ausziehen, denn Klaus wird volles Haus bekommen. Eugenio lädt mich ein, mit ihm in den Nationalpark TURUEPANO zu kommen. Dort erwartet mich schon wieder ein Paradies.

 

Scharlachrote Ibise, ein Küchenhuhn und zwei Äffchen..

Es ist Montag, der 7. September. Mit all meinem Gepäck steige ich in sein Leihauto. Wir fahren ins kleine Dorf Ajios. Es liegt am Rand des Nationalparks. Der Nationalpark ist eine große Lagune mit vielen großen und kleineren Inseln.

Wir steigen in ein Boot mit Außenbordmotor, wie es die Fischer hier auch haben. Die riesige Lagune ist an mehreren Stellen mit dem Meer verbunden. Hier ist es ein sehr schmaler Arm. Es herrscht Ebbstrom. Wir haben ihn gegen uns. Treibholz kommt uns entgegen, Wasserpflanzen verheddern sich immer wieder in der Schraube des Außenborders. Links und rechts Mangrovenwälder – jene Bäume, die auf vielen Luftwurzeln stehend Halt im schlammigen Boden suchen. Allmählich wird das Gewässer breiter. Der Strom ist jetzt mit uns. Wir kommen an schwimmenden Fischerhäuschen vorbei. Schließlich sind wir auf einem offenen See mit vielen Nebenarmen und Inseln. Bei einer kleinen Ansiedlung machen wir Zwischenstopp.

Ganz im Süden der Lagune machen wir am Ende eines Schwimmsteges fest. Er ragt 300 m ins seichte Wasser heraus reicht. Bei Ebbe fallen die Schwimmkörper des Steges trocken. Der Steg führt uns in ein kleines Dorf. Fischer richten ihre Netze her. Die Bewohner zeigen sich freundlich.

Ich erinnere mich, dass mir von der Rosa Marothy empfohlen worden ist, ein Dorf namens Guariquen zu besuchen. Ein Französisches Paar habe hier eine Posada. Ich frage unseren Führer, ob es die hier gäbe. Ja, hier, gleich links vom Steg. Schon sind wir die paar Treppen hochgestiegen. „Bon jour!“ „Bon jour!“ Auf einer langgestreckten, gebogenen Terrasse bekommen wir zu trinken. Ja, es seien Zimmer frei. Ich könne gerne dableiben. Spontan entschließe ich mich, mich hier eine Nacht einzumieten. Del Valle, unser Nationalpark- und Bootsführer, fährt nur mit meinen Freunden, ohne mich zurück. Er verspricht mir, mein Gepäck zu übernehmen und mich morgen wieder abzuholen. Und für ein Taxi zu sorgen, das mich in die Posada von Klaus Müller bringt.

Mein Fotoapparat ist bereit, ein Bild zu Machen, mein einziges. Es ist der Blick aus de Posada hinaus auf die Lagune:

 

Ich gönne mir ein Stündlein in der Hängematte und dann ein Mittagessen. Aus der Küche spaziert ein Huhn, eigentlich noch ein Küken. Es ist bei einer Henne eines Nachbarn als letztes geschlüpft und offenbar zum Omega-Huhn geworden. Es wäre von zuvor geschlüpften Küken wohl zu Tode gehackt worden. So ist es in die Posada zu Luis und Caroline gekommen. Sie sind das, was Konrad Lorenz seinen Graugänsen war – die Bezugspersonen. Das Huhn nimmt menschliche Züge an. Es kuschelt sich heran, schließt seine Augen, wenn man es krault am Hals. Seit das Küken in der Küche lebt, gibt es keine krabbelnden Insekten mehr am Boden, bloß hin und wieder deren verdauten Überreste.

Jemand schlägt mir auf den Rücken. Wie ich mich umdrehe, sehe ich, es ist das eine der beiden kleinen Äffchen. Und schon ist es wieder weggesprungen. Es sitzt am anderen Tischende und schaut neugierig-scheu zu mir. „Ts-ts-ts-ts,“ versuche ich das Tier zu locken . Es kommt näher, fletscht die Zähne und schlägt mit den Händen flach auf den Tisch. Meine Geräusche sind Attacken für den Affen, klärt mich Caroline auf.

Die Sonne steht schon tief. Wir fahren mit einem Boot hinaus zu jenen Bäumen, wo die Scharlachroten Ibise zur Nachtruhe zusammenkommen. Einige sind schon da. Scharenweise kommen andere nach. Manchmal erheben sich alle hundert Vögel auf einmal und fliegen einen anderen Baum an. Zuletzt kommen die noch weißen und grauen Jungvögel. Bei ihnen ist immer noch viel Geschwätz und Bewegung, während ältere, nur rote Vögel, längst Ruhe gefunden haben auf höheren Bäumen.

Das Fest der Virgen del Valle

Böllerschüsse wecken mich im frühen Morgengrauen. Heute - es ist Dienstag, der 08. September 09 - wird „Virgen del Valle“ gefeiert, die Jungfrau vom Tale – es ist eine besondere Form der Jungfrau Maria und ihrer Verehrung, weiß Caroline. Mir scheint, mit der gleichen Begeisterung, mit der die Afrikaner einst Idole verehrt haben, tun sie das nun mit der Jungfrau. Die Missionare haben sich wohl vorerst mit dem Austausch der Figuren begnügt – das ist aber nur so eine Vermutung von mir.

Am fruehen Vormittag kommt die Prozession zu Fuss und auf LKW’s vom Dorf hierher in den Hafen. Es herrscht Jubel, Trubel, Heiterkeit. Da wird die Virgen vor einem Haus erstmal abgestellt. Sie hat die Haende fromm gefaltet und geniesst die Penetrierung mit Schallstaerken von ueber 100 Dezibel aus der gegenueberliegenden 7 Meter entfernten Lautsprecheranlage – 2 m hoch, 5 m breit gegenüber. Ihre Unschuld ist grenzenlos. Dann begibt sich alles in Boote. Vorne das Schiff mit der Jungfrau. Am Bug werden Schuesse abgegeben. Alle sind sie ausgelassen, als ob Karneval waere. Die Jungfrau wird nun zu den anderen Ansiedlungen an der Lagune gebracht. Nach zwei Stunden kehrt alles zurueck. Der Jubel ist gewachsen. Zu Ehren der Jungfrau ist wohl einiges an Rum geopfert worden. Boote, die einander nahe kommen, begiessen sich kuebelweise mit Wasser. Ich bin gerade mit dem Kajak unterwegs. Ich bin der Langsamere und bekomme auch meinen Teil. Den ganzen Tag ist Musik im Hafen. Und das sehr laut. Die Lautsprecherbatteie ist 2,5 m hoch und 7 m breit. Das gibt was her. Gegenüber ist der Tisch auf dem die Jungfrau steht. Sie ist neu eingekleidet. Das ganze Dorf hat gespendet dafür.

Mein Bootsführer ist schon eingetroffen mit all meinem Gepäck. Er muss jetzt noch eine Rede schwingen, was die „Musik“ für 15 Minuten zum Schweigen nötigt. Da er Del Valle heißt mit Nachnamen, ist er zu dieser Rede verpflichtet. Er spricht über die hoffentlich eintretende positive Entwicklung des Tourismus in der Region, übersetzt mir Caroline. In Anwesenheit der hilfreichen Virgen - die wird sicher mithelfen, su gut sie kann.

Irgendwann findet er ein Ende. Wir springen ins Boot. Es ist um einiges später geworden. Den Außenborder lenkt ein junger Bursche. Del Valle hat viel damit zu tun, das getrunkene Bier wieder über Bord zu lassen. Es dämmert schon, als wir in das engere Fahrwasser kommen. Die Mangroven rücken immer näher. Bald fahren wir durch einen dunklen Tunnel. Immer wieder kurze Pause: Außenborder hochklappen, Grünzeug aus der Schraube entfernen, wieder niederkippen und weiter geht’s. Endlich schimmern die Lichter der Anlegestelle durchs Gebüsch.

Es gibt kein Taxi mehr zu meiner Posade bei Klaus’ Schwiegertochter. So nimmt mich Del Valle zu sich ins Haus. Er bietet mir das Ehebett an – ob mit ihm oder seiner Frau darin, das erfahre ich nicht, denn ich bestehe darauf, am Sofa im Wohnraum zu schlafen. Ich erlebe eine Nacht die Einfachheit der Behausung eines einfachen Venezeolaners. De Valle ist Motorenmechaniker. Gleich nach meinem Eintreffen bekomme ich eine Betriebsführung. In einem Raum von 4 mal 8 m warten Motorsensen, Stromaggregate und Außenbordmotore auf ihre Reparatur. Eine Werkbank gibt es. Die Mopeds und Motorroller warten am Vorplatz.

 

Letzter Tag in Venezuela

Am frühen Morgen des Mittwoch, 09.09.09. bekomme ich mein Taxi. In El Pilar gibt es eine Teigtasche, gefüllt mit Hühnergehacktem und dazu ein Schälchen Kaffee. Solches bekommt man hier an jedem der vielen Straßenstände.

Als ich in Carupano aus dem Sammeltaxi steige und mich umdrehe, wer steht da vor mir - Shaldun, jener US-Amerikaner, den ich bei Fahrt nach Venezuela auf der Fähre kennen gelernt hatte. Er hat inzwischen viel Geld ausgegeben. Seiner eigenen Liquidität hat die Reise zum höchsten Wasserfall der Welt nicht gut getan.Ich kann ihm helfen.

Ich versuche hier noch mal ins Internet zu kommen, um was ins Tagebuch zu berichten. Ich spüre, dass mein Fanklub schon fiebert, von mir ein Lebenszeichen zu bekommen. Nach 10 Minuten fällt der Strom nachhaltig aus. Das war es. Emotionslos schließt der Internetbetreiber die Tür hinter mir. Jetzt hat er frei – er kann relaxen.

Im Sammeltaxi fahren wir ins 120 km entfernte Güiria. Die Fähre hat bringt mich wieder nach Chaguaramas auf Trinidad.

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