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Von Galapagos zu den Marquesas Inseln
Von 1. bis 21. April 2010


Segeln um die Welt - Galapagos - Marquesas Inseln

(A) Galápagos-Inseln und (B) Marquesas Islands


Auf der Suche nach dem Absoluten

Es ist merkwürdig: Alle Segler – jedenfalls die segelnden Segler – freuen sich an dem Dahingleiten im Wasser, sie schätzen den Regen, sie genießen den Wind, die Sonne, das Sein in der sehr ursprünglichen Natur und in der Eigenverantwortlichkeit darin. Doch sobald der Wind nachlässt, schauen sie missmutig auf die Windanzeige. Das dauert doch viel zu lange, bei dem bisschen Wind! Und ganz schnell ist auch schon der Motor gestartet.

"Kein Gouvernement, keine Vorschriften, keine Unterschriften, keine Formulare! Wir wissen nicht, was in Austria und Australia gerade passiert", lobt und preist Stu sein Sein am Boot. Das ist vor ein paar Tagen gewesen. Eine Stunde später kommt er daher mit der guten Zwischenzeit: "1050 Seemeilen in 7 Tagen."

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So sieht an diesem Tag das GPS aus

"Das ist ein hervorragender Durchschnitt! Wenn wir in diesem Tempo weiter segeln, werden wir nach 20 Tagen French Polynesia erreicht haben", frohlockt er. Nun spiele ich den Traurigen: "Nur 20 Tage segeln? Ich habe mich auf 25 bis 30 Tage gefreut. Nur 20 Tage kein Gouvernement, keine Vorschriften, keine Unterschriften, keine Formulare. Nur 20 Tage wissen wir nicht, was in Austria und Australia gerade passiert?" Stu kann herzlich lachen darüber, dass ich ihn ertappt habe. Und weil der Wind nun etwas nachgelassen hat, dreht er den Starterschlüssel um startet die Maschine.

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Stu und Lynn sitzen im Cockpit. Die Sonne sinkt. Das Licht bekommt die abendliche Schärfe.

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Im Westen sind die Wolken ziemlich dunkel. Wie eine schwarze Wand reichen sie bis an den Horizont herunter.

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In den anderen Himmelsrichtungen sind die wenigen Wölkchen weiß. Die Sonne verschwindet ganz. Nach einer Stunde haben wir einen schönen Sternenhimmel über uns. Delphine begleiten uns wieder einmal.

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(Bild und Movie von Freund Bernie von der Australi 31 aus gemacht).

Lynn und Stu scheinen sich wohl zu fühlen. Dort die Sterne in unglaublicher Entfernung, hier die Erde; alles ist so relativ; die Erde bewegt sich um die Sonne - oder umgekehrt? Die Sonne zieht durch das All, hier am großen Meer unser kleines Schiff. Ich bin in der noch kleineren Küche beschäftigt. "Kennst du Einsteins Formel?" ruft Stu herunter. "Freilich, kenn ich die." Das ist die Relativitätstheorie", ergänzt Stu. "Es ist alles so relativ", teilt er mir seine eben gehabte Erkenntnis mit. "Ob der Einstein mit seiner Formel genau dieses ausdrücken wollte?" Wir sind uns beide nicht sicher. Stu sucht offenbar nach Absolutem.

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Wikipedia-Artikel zum Urmeter

Wie ist das mit dem Meter. Das ist doch in Paris? In jenen Jahren in denen die Franzosen den König abgeschafft haben, haben sie auch mit dem Durcheinander der vielen Maßeinheiten aufgeräumt und das Urmeter zum Längenmaß aller Dinge erklärt. Wenngleich alles fließt, wie Plato von sich gegeben hat - das Zusammenleben braucht feste, absolute Anhalte! Ganz Europa hatte sich längst angeschlossen ans Urmeter. In Wien haben wir uns eine Kopie aufgestellt, damit wir nicht so oft nach Paris fahren müssen. Die Engländer, wie die Amerikaner zieren sich heute noch, den von der Grand Nation gelegten Maßstab anzulegen, zur allgemeinen nationalen Norm zu machen.

Doch auch das Urmeter ist inzwischen ein alter Hut. Es ist nicht genau genug, nicht absolut genug. Es gibt da ein bestimmtes Metall, das bei einer bestimmten Temperatur in einem bestimmten Spektrum Licht mit einer ganz bestimmten Wellenlänge, multipliziert mit einem ganz bestimmten Faktor die Gesamtlänge von 1 Meter hat. Wie dieses Metall heißt, wie hoch die Temperatur ist, welche Farbe das Spektrum hat, wie lang eine Welle ist und welche Zahl diesen Faktor darstellt - wir wissen es nicht, denn wir haben nicht nur kein Gouvernement, keine Vorschriften, keine Unterschriften, keine Formulare! Wir wissen auch nicht, was in Austria und Australia gerade passiert - denn wir haben auch kein schnelles INTERNET! Aber in Hiva-Oa, in 10 Tagen, wenn wir es schaffen, da werden wir ins Internetcafe eilen und uns das alles ergoogeln!


Adrenalin für Stu

Ich stehe schon in der Schlussphase und arbeite mit der Hand an der Pumpe. Da geht die Klotür auf. Ich sehe kurz Stu's Hand. "Oh, sorry, Volkmar", sagt er. Schon schließt er die Tür wieder. Er wischt sich den kalten Schweiß aus der Stirn und lächelt.

Was war geschehen? Ich hatte gerade Wache. Der "Arbeitsplatz" ist in diesem Fall das Cockpit. Stu saß am Navigationstisch. Ich hatte nicht bemerkt, dass er nicht bemerkt hat, dass ich, hinter seinem Rücken gewissermaßen, meiner Notdurft Zeit und Raum gebe. Kurz darauf steht er auf und hält er im Cockpit nach mir Ausschau. Weil er mich nicht sieht, fährt es – das Adrenalin – ihm durch die Glieder, ich könnte über Bord gegangen sein. Ich weiß nicht, wo überall er nach mir gesucht hat, bis er im WC fündig geworden ist. Seither zeige ich mich mit Finger, Blick, und Lächeln mein abgeschiedenes Vorhaben an. Ich bekomme ein Lächeln zurück und weiß mich abgemeldet.

Nach Tagen körperlichen Bauchwehs und der offenbar hilfreichen Einnahme von Darmfauna-Tropfen habe ich 6 Stunden guten Schlafes hinter mir. Um 04:50 weckt mich das Handy. Um 05:00 beginnt diesmal meine Wache. Ich löse immer Lynn ab. Nach mir ist Stu dran. So geht das im Radl. Tagsüber sind es 3 x 4 Stunden (Beginn jeweils 08, 12, 16 Uhr), nachts 4 x 3 Stunden (Beginn jeweils 20, 23, 02, 05 Uhr), macht zusammen 24 Stunden. Weil es insgesamt 7 Wachen sind, rückt der Wachebeginn eines jeden von uns jeden Tag um einen Termin vor. Der Beginn um 05 Uhr früh ist mir der liebste.

Es ist noch finstere Nacht, heute auch nicht vom Mond erhellt, denn der Himmel ist bedeckt. Es nieselt. Im Halbschlaf sitze ich da auf der höheren luvseitigen Bank. Mit den Füßen stütze ich mich an der Lenkrad-Säule ab. Daran sind auch Autopilot-Eingabegerät und die Anzeige des GPS montiert. Ich habe also schnellen Zugriff für eine nötige Kursänderung.

Der Autopilot ist auf "Windsteuerung" eingestellt. Das bedeutet, dass er versucht, den Winkel zwischen dem scheinbaren Wind und dem der Schiffslängsachse auf einen konstanten Wert zu halten - genau das, was eine fremdenergielose Windsteueranlage auch tut. Der Vorteil dabei ist, dass die Segelstellung nicht gewechselt werden muss, wenn der Wind Stärke oder/und Richtung ändert. Oder, falls man einen konstanten Kurs zum Wind fahren will (etwa hart am Wind), man nicht ständig den Kompasskurs dem Wechsel des Windes gemäß zu ändern hat. Die rein mechanische Windsteueranlage verbraucht keinen elektrischen Strom. Das ist ihr großer Vorteil. Und sie hat was Geniales. Doch sie braucht Platz am Heck und kostet Geld. Ich habe Erfahrung mit so einer genialen Windsteueranlage am Atlantik machen dürfen. Von Tahiti nach Fidschi werde ich die gleiche Erfahrung machen: Sie kommt sehr leicht außer Tritt. Aber das tut die elektronische Steueranlage auch.

Stu gehört nicht zu jenen Seglern, die am liebsten alles mit der Kraft von Wind und Sonne bewegen. Er verzichtet daher weder auf den elektrischen Autopiloten, noch auf Tiefkühltruhe, Kühlschrank, Wassermacher, ausreichend Licht unter Deck, ausreichend Strom für unsere Computer und Elektrowinschen, eine für die Leinen und eine für den Anker. Ein Windrad läuft den ganzen Tag mit und tags liefern 1 m² Solarzellen alternativen Strom. Wenn die Hauptmaschine nicht gestartet worden ist, muss ein bis zweimal täglich das Stromaggregat angeworfen werden, um die entladenen Batterien wieder aufzufüllen. Sobald der Wind nachlässt und die Segel zu schlagen beginnen, besorgt die Hauptmaschine den Vortrieb des Schiffes.

Zusammen laufen die beiden Maschinen täglich etwa 6 Stunden. Das feine, sanfte Segeln stört das ein wenig, finde ich.


Es fließt doch nicht alles!

Ein Schrei kommt aus der bugwärtigen Toilette. Lynn hat getan, was nötig war, doch die elektrische Pumpe versagt ihren Dienst. In der Muschel kreist horizontal, was eigentlich vertikal fließen sollte, abgesaugt von der Elektropumpe. Stu werkt einen ganzen Tag und einen weiteren, um die Blockade weg zu kriegen.

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Mit viel Essig entfernt er aus Pumpe, Vakuumbehälter, Ventilen und Schläuchen zementartige Verkrustungen. Die Fäkalien werden bei der Onda nicht einfach auf kürzestem Weg ins Meer geführt. Nein, da gibt es – nach Vakuumbehälter und Elektropumpe – erst eine Druckleitung bis auf Augenhöhe, allerdings hinter dem fixen Möbelverbau. An der höchsten Stelle befindet sich freundlicherweise ein Ent- oder Belüftungsventil, freundlicherweise mit einer Revisionsöffnung im Wandverbau, aber von außen zugänglich gemacht. Und dann führt der Schlauch nach unten zu einem Dreiwegeventil, wahlweise in den Fäkaltank oder direkt ins Meer. Da sitzt dann auch wo das Seeventil. Wir füllen die aufsteigende Leitung mit Essig und lassen das 3 Tage wirken. Das scheint geholfen zu haben – leider nur 1 Tag lang.

Auch bei mir staut sich was. Mich befällt starkes Bauch- und Kopfweh. Mit einigen Tabletten und schließlich 2 Tassen kräftigen Kaffees bringe ich meine Verdauung ins Fließen. Die Schmerzen bleiben. Es befällt mich eine Schwäche, wie nach einer Gallenkolik. Da scheint mir die Leber überlastet zu sein. Ich habe mich mit was vergiftet. Ich tippe auf das Huhn, das Stu vor 2 Tagen aus der minus-5-gradigen „Tiefkühl“-truhe entnommen hat. Der Vogel hat schon gewaltig gestunken. Stu meint, das seien nur die Haut und das Fett gewesen. Das habe er alles weggeschnitten. Im Übrigen sei er ein sehr guter Koch und wisse ..... Er hatte die Speise ungewöhnlich scharf zubereitet. Lynn findet es ausdrücklich als eine Beleidigung, dass ich das Huhn, bzw. den Stu verdächtige, mich vergiftet zu haben. Damit hängt der Schiffssegen schief. Er krängt gewissermaßen. Ich habe keine Kraft, ihn gerade zu richten. Ich beschließe, dass ich von nun an für mich selber koche, dies ist allein in Hinblick auf die nun gebotene Schonkost wichtig. Mir genügen Haferflocken, Polenta und ein paar Kartoffel. Auch mein Trinkwasser koche ich ab nun ab. Stu hat zwar ein Aktivkohlefilter fürs Trinkwasser eingebaut. Ich will jetzt aber kein Risiko eingehen, Stu sieht meine Maßnahmen ein. Lynn meint, es könne nicht sein, dass ich mir selber was koche. Das brauche zu viel Gas. Und sie habe nicht so viele Kartoffel. Ich empfehle ihr, die Hühnchen zu genießen und mir die Kartoffeln zu überlassen. Was dem Schiffssegen freilich auch nicht hilft.

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Wir hatten in den letzten 10 Tagen Wind mit 10 – 20 Knoten aus ostsüdost. Wir fahren über Grund ziemlich genau nach Westen mit 5 – 9 Knoten. Die Strömung hilft uns dabei mit ca. 1,5 Knoten.

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Bei den Delphinen geht es munter zu. Da ist die Welt noch in Ordnung.

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Diese Bilder und Movies hat mir der Peter von der „Australia 31“ zur Verfügung gestellt, jener Yacht, mit der wir stets in Funkkontakt waren. Die hektische Suche nach dem Absoluten beginnt immer um 8 Uhr morgens: „What is your position?“ Im Lautsprecher starkes Rauschen, Piepsen und Pfeifen. Mit viel Glück kann man Bernies Stimme ganz weit am anderen Ende hören.

Das war unsere Position am 21.04.2010 um 12:01:06:

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Und das konnte man sehen:

Es sind die Berge von der Insel Fatu-Hiva, die erste in den Marquesas Islands, die wir anlaufen. Zwei Stunden später gehen wir in der kleinen Bucht Omoa im Südosten vor Anker.

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Ich hoffe, dass ich an Land wieder Fuß fasse und den Tritt komme. An Bord der Onda habe ich zurzeit nicht so richtig Spaß.

Zunächst erwartet uns dieser Geist an der Hafenmole:

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